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0770 - Die andere Seite der Hölle

0770 - Die andere Seite der Hölle

Titel: 0770 - Die andere Seite der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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drängten sich auf engstem Raum zusammen, was oft auf Kosten der Rücksicht ging.
    Sanft berührten Elenors Füße den Boden. Sie stand.
    Sie legte wieder die Arme an, nickte zum Himmel hoch, als wollte sie sich bei der Sonne bedanken, und sie weidete sich an dem ehrfurchtsvollen Schweigen und an den hoffnungsfrohen Blicken, die sie einkesselten.
    Wieder hob sie beide Arme, brachte sie dann vor ihrem Körper zusammen, damit sich die Handfläche berühren konnten. Der noch immer warme Wind fuhr durch ihr Haar. Es spielte mit den Zöpfen und schwang sie auf und nieder.
    Vor ihr stand eine fahrbare Liege.
    Die Räder hatten sich tief in den weichen Boden gegraben. Es bedurfte schon einer Kraftanstrengung, um das Gerät vorzuschieben.
    Ein älterer Mann versuchte es, denn auf der Liege lag seine gelähmte Frau. Der Mann keuchte, Schweiß bedeckte seine Stirn. Er versuchte es mit aller Gewalt vergeblich.
    Das sah auch Elenor.
    Sie ging näher. »Bitte, laß es sein.«
    Der Mann nickte. Er wußte nicht, was er sagen sollte. Tränen schimmerten in seinen Augen.
    Das Mädchen aber trat dicht an das Gestell heran. Sie hatte sich die linke Seite vorgenommen. Ihr Gesicht zeigte noch immer den Grauschimmer. Unwahrscheinlich hell traten die Augen hervor, und die Pupillen schienen zu blassen Sonnen geworden zu sein.
    Elenor schaute direkt in das verzerrte Gesicht der Frau. Es wurde von grauen Haaren umgeben. Die Hände lagen über der Brust aufeinander, die Finger zitterten ebenso wie die Lippen.
    »Du wirst wieder gesund werden…«
    Da es sehr still war, konnten die Worte der Wunderheilerin auch an entfernten Stellen gehört werden.
    Die Reporter benahmen sich rücksichtslos. Bei ihnen zählte nicht mehr der Mensch, sondern die Sensation.
    Elenor spreizte die Arme. Eine Hand legte sie auf die Stirn der Frau, die andere auf deren Beine, nicht mehr weit von den Fußknöcheln entfernt.
    Auch die letzten Gespräche schliefen ein. Flüsternde Worte versickerten, die Spannung hatte ihren Siedepunkt erreicht, was auch Elenor wußte.
    Sie bewegte ihre Hände über dem Körper aufeinander zu, wobei sie allerdings nie den Kontakt mit der kranken Person verloren. Dabei bewegten sich die Lippen des Mädchens, und Elenor sprach beruhigend auf die Schwerkranke ein.
    Was sie sagte, war trotz der herrschenden Stille nicht zu verstehen. Sie redete in keiner fremde Sprache, sie flüsterte sehr wohl in einem Dialekt, der früher einmal gesprochen wurde, heute aber vergessen war. Sie beherrschte ihn, als hätte sie ihn bereits vom ersten Lebensjahr an gelernt.
    Elenor Hopkins war voll und ganz in ihrer Aufgabe versunken. Es kümmerte sie nicht mehr, was um sie herum vorging, für sie waren die Zuschauer nicht vorhanden, es gab nur sie und die kranke Frau.
    Die Handflächen schleiften über den in wärmende Decken eingewickelten Körper hinweg. Das Mädchen redete, es schaute, es heilte, es spürte auch den Strom, der durch seine Hände in den Körper der Kranken fand.
    Wie es ihr genau ging, konnte nicht so einfach festgestellt werden. Einige Zuschauer jedoch - unter ihnen auch Journalisten - konzentrierten sich nicht auf die Bewegungen der heilenden Hände, sondern auf das Gesicht der Kranken.
    Vor Minuten noch hatte sich in ihren verzerrten Zügen widergespiegelt, wie sie litt.
    Das hatte sich geändert.
    Längst zeigte das Gesicht nicht mehr die Verzerrung, nur noch eine Spannung, und in den Augen schimmerte bereits der Eindruck des Unglaubens.
    Hatte Elenor Erfolg?
    Sie machte weiter, sie sprach weiter, und auch die am Fenster stehende Jane Collins hatte sich so weit wie möglich vorgebeugt, damit ihr nichts entging.
    »Ja… ja…«, flüsterte die Frau. »Es ist unmöglich, aber es stimmt. Ich… ich… fühle. Die Kraft kehrt zurück. Es ist das Kribbeln. Ich spüre das Blut, ich spüre es!« Sie schrie auf, und sie faßte nach der Hand ihres Mannes, der nicht wußte, wie er sich verhalten sollte. Er drückte die Finger seiner Frau.
    Er lachte und weinte zugleich, er konnte es nicht glauben, es war für ihn ebenso unfaßbar wie für die Kranke.
    »Edwin, bitte… Edwin… ich kann wieder… ich kann mich wieder bewegen! Himmel, ich…«
    Elenor Hopkins trat zurück, als die Stimme der Frau erstickte. Sie nickte der Liegenden nur zu, bevor sie sagte: »Versuche nur, dich zu erheben. Steh auf, bitte!«
    Die Worte waren sehr laut gesprochen worden. Viele hatten sie gehört. Keiner wagte es, einen Kommentar abzugeben, und war er auch noch so

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