0771 - Der Knochen-Sessel
seine Frau an. »Kannst du dir vorstellen, dass es einen Sessel aus Knochen gibt? Oder anders gesagt, ein Gerippe, das zu einem Stuhl geformt wurde?«
Sie lachte. »Mein lieber Bill. Du solltest deinen Freund eigentlich kennen. Bei ihm ist alles möglich.«
Der Reporter nickte. Er schaute Sheila an, die einen dunklen Hausanzug trug, in dessen Stoff dünne Goldfäden eingewoben waren. Er sah teurer aus, als er gewesen war. »Da hast du eigentlich Recht. Mich würde trotzdem interessieren, wie es alles zusammenhängt. Ich habe mit ihm gesprochen, leider nicht so lange, dass er mich in jedes Detail hätte einweihen können.«
Sie deutete auf das Telefon. »Wie wäre es, wenn du mit Suko sprichst. Der weiß sicherlich mehr.«
»Das hatte ich gerade vor.«
Bill telefonierte mit Suko, der sich noch nicht hingelegt hatte – es war schließlich vor Mitternacht –, und der Reporter erlebte einen Inspektor, der ziemlich aufgeregt klang, kaum dass er zwei, drei Sätze mit ihm gewechselt hatte.
»Können wir uns noch treffen, Bill?«
»Sicher. Sofort, wenn du willst. Wo denn?«
Suko nannte ein kleines Lokal, in dem man essen, aber auch nur etwas trinken konnte. Es lag auf halber Strecke. Da brauchte keiner zu weit fahren.
Sheila hatte den Raum schon verlassen. Sie zog sich blitzschnell um. Es war kühler geworden, deshalb entschied sie sich für einen cognacfarbenen Pullover und eine lange schwarze Hose. Die Schuhe passten ebenfalls zum Oberteil, und den leichten Swinger-Mantel trug sie über dem Arm, als sie auf Bill an der Haustür wartete.
»Du warst aber schnell.«
»Bin ich doch immer.«
Bill schnappte seine grüne Wildlederjacke und warf sie über die Schultern. Dann schloss er die Tür ab. Wenig später hatten die Conollys das Grundstück verlassen.
Beide waren ziemlich schweigsam. Ein jeder wusste oder ahnte, dass sich über ihren Köpfen etwas zusammenbraute, mit dem sie nicht so leicht fertig wurden. Es hing eine gewisse Gefahr über ihnen, und sie verdichtete sich immer mehr.
Sheila hatte sich tief in den Sitz des Porsche gedrückt. Sie legte ihre Hände flach zusammen. »Du wirst es vielleicht nicht glauben, Bill, aber ich habe Angst um John. Und beileibe nicht wegen des Geldes, das wir ihm geliehen haben.«
»Kann ich mir denken.«
»Man weiß so wenig«, flüsterte sie. »John kommt mir vor wie ein Mensch, der in einem Vakuum hängt. Das kann alles Einbildung sein, aber ich denke, dass ich nicht so falsch liege.«
»Richtig.«
»Dann bist auch du der Meinung?«
»Und ob.«
»Er will einen Skelett-Sessel ersteigern.« Sheila schüttelte sich. »Ich würde mich nicht mal auf ein solches Ding setzen. Warum will er ihn haben?«
»Da solltest du ihn fragen«, erwiderte Bill. »Ja, wenn er wieder hier ist.«
Das Gespräch zwischen den beiden versickerte. Wie ein flacher Fisch schoss der Porsche durch die Dunkelheit. Seine Augen glotzten gelbweiß und schleuderten das Lichttuch vor sich her. Beide Conollys hingen ihren Gedanken nach. Sie hofften natürlich, von Suko mehr über den Geisterjäger und dessen Job in New York erfahren zu können, denn die Reaktion des Inspektors war doch überraschend hektisch gewesen.
Das Lokal lag etwas versteckt hinter Bäumen. Der Lichtschein und ein Schild wiesen ihnen den Weg zu einem Parkplatz, auf dem die Wagen einiger Gäste standen.
Suko war bereits da. Sein BMW stand unter einer Laterne. Der schwarze Lack glänzte wie frisch poliert. Bill parkte den Porsche daneben. Sheila war schon vor ihm aus dem Wagen. Sie hatte sich ihren kurzen Mantel umgehängt und fror etwas in der feuchten Luft.
Der Dunst zog träge durch den Schein der Laternen.
Die Glastür schob sich nach links und rechts zur Seite, bevor sie das Lokal betraten. Ein Geschäftsführer empfing sie, wollte sie zu einem Tisch führen, doch Sheila hatte Suko bereits entdeckt, winkte ihm zu und war noch vor Bill bei ihm.
Suko stand auf. Erleichterung zeichnete kurz sein Gesicht. In die Augen trat dann wieder ein ernster Ausdruck zurück. Auch die Begrüßung fiel der Situation entsprechend aus.
Als Bill saß, streckte er die Beine aus. »Das war ein Ding, uns so aus dem Haus zu scheuchen.«
»Stimmt, aber ich habe es für wichtig gehalten.«
»Wir ebenfalls«, erklärte Sheila, »sonst wären wir nicht so schnell gekommen.«
»Das ist toll.« Suko lächelte. Er wartete ab, bis der Ober die Bestellungen aufgekommen hatte – für Sheila einen Martini, für Bill ein alkoholfreies Bier –, dann
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