0771 - Der Knochen-Sessel
er sich bei dem Schatz der Templer befunden, der vor der Auflösung des Ordens außer Landes geschafft worden war?«
»Könnte so gewesen sein.«
»Das nutzt mir nichts, Bill.«
»Und wo willst du eine Antwort auf die Fragen bekommen, wenn du nicht nach New York reist?«
»In Frankreich.«
»Beim Abbé?«
»Wo sonst?«
Bill pfiff durch die Zähne. »Sehe ich das richtig? Willst du zu ihnen reisen?«
»Zumindest spiele ich mit dem Gedanken. Und ich habe beschlossen, mit dem Abbé in Verbindung zu bleiben. Ich jedenfalls kann mir vorstellen, dass dies alles erst der Anfang gewesen ist. Der Stein wurde ins Wasser geworfen, die Wellen sind entstanden, und es liegt an uns, ihnen zu folgen.«
»Wenn das so einfach wäre«, murmelte Sheila und kippte ihren Martini mit einem Zug.
***
Es war soweit, die Versteigerung stand kurz bevor.
Abe Douglas und ich wunderten uns über die zahlreichen Interessenten, die erschienen waren, und das sicherlich nicht nur wegen des Sessels, denn die meisten trugen Kataloge mit sich, schauten des Öfteren hinein, tuschelten mit den Nachbarn und verglichen oder kommentierten die erfassten Stücke.
Nicht alle zur Versteigerung anstehenden Gegenstände waren abgebildet worden. Nur eben die wichtigsten, darunter befand sich natürlich der Sessel, und das Gebot entlockte so manchem Besucher ein gelindes Stirnrunzeln. Anderen lief ein Schauer über den Rücken und sie blätterten schnell um.
Ein buntes Völkchen hatte sich eingefunden. Einigen Besuchern sah man an, dass sie nicht mit dem Cent rechnen brauchten, andere wiederum wirkten wie Normalbürger. Überhaupt nicht aufgesetzt oder extravagant. Sie interessierten sich einfach nur für mehr oder minder schöne Dinge. Viele Gegenstände konnten auch in die Rubrik Kitsch eingeordnet werden.
Jemand hatte mal gesagt: Was alt ist, gerät zum Kitsch. Ich wollte das nicht unterschreiben, meines Erachtens war es Geschmackssache, und nur Gefallen macht schön.
Wir hatten uns einen strategisch günstigen Platz ausgesucht und saßen in der letzten Reihe. Von hier aus konnten wir auch die beiden Helfer sofort sehen, wenn sie die Gegenstände zur Versteigerung in die Nähe des Stehpults trugen und dort abstellten.
Das Pult war besetzt. Archie Donovan stand dort. Er blätterte in seinen Papieren, trug eine Halbglasbrille und schielte durch die Optik nach unten.
Auf mich machte er einen nervösen Eindruck. In bestimmten Abständen schaute er hoch, ließ seine Blicke über die Versammelten wandern, lächelte dabei, was nicht echt wirkte und meines Erachtens den Eindruck der Nervosität noch unterstrich. Einige Male fuhr er durch seine Mähne, schaute sich auch um, denn hinter ihm waren zwei dichte Samtportieren zugezogen worden, um das Glas des Wintergartens zu verdecken, weil die Sonnenstrahlen dagegen schienen.
Die letzten Interessenten trafen ein. Die Stühle waren nicht alle besetzt, aber Donovan konnte zufrieden sein. Der typische Holzhammer des Versteigerers lag ebenfalls bereit. Als er ihn umfasste und anhob, verstummten einige der Gespräche. Wieder kam mir der Vergleich mit einem Dirigenten in den Sinn.
Der Auktionator wartete einige Sekunden ab. Dann hatte sich auch das letzte Flüstern gelegt. Ein Mikrofon stand ebenfalls bereit. Er hatte es schon vorher ausprobiert.
Abe Douglas wandte mir sein Gesicht zu. »Dann bin ich mal gespannt«, flüsterte er.
»Das sehe ich dir an.«
»Warum?«
»Du wirst nervös.«
»Bin ich auch. Aber nicht wegen der Auktion. Es hängt mit dem Toten zusammen, den wir zurückgelassen haben. Ich habe ein schlechtes Gewissen.«
»Ach ja?«
»Ich muss dafür sorgen, dass die Leiche so schnell wie möglich weggeschafft wird. Da werde ich meinem Chef sowieso noch einiges erklären müssen. Der wartet doch nur darauf, dass ich einen Fehler mache.«
Donovan bat noch einmal um Ruhe. Wir schwiegen.
Archie schlug mit dem Hammer auf eine verstärkte Stelle an seinem Pult. Ein Zeichen, dass er die Auktion eröffnete. Wie vieles im Leben begann auch diese Schau hier mit einer Rede, bei der sich Archie zum Glück kurz fasste.
Er sprach über die zur Versteigerung kommenden Gegenstände und wies besonders auf das Prunkstück hin, den absoluten Hit, den Knochen-oder Skelett-Sessel.
Ob Douglas hinhörte, wusste ich nicht. Bei mir war es nicht der Fall. Ich schaute mir so gut wie möglich die Interessenten an und versuchte herauszufinden, wer von den Erschienenen Interesse an dem Skelett-Sessel zeigte.
Da eine
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