0775 - Haus der Toten
nach dem Tod ihres Mannes entdeckt. Er hatte sie unter dem Boden des Salons versteckt. Die Polizei fand Dutzende von Körpern unter den Brettern. Obwohl das Anwesen ziemlich abgelegen ist und es eher selten passierte, dass jemand hier vorbeikam, fand O’Donaghan im Laufe der Zeit diverse Opfer. Innerhalb der zwei Jahrzehnte von Charlottes Tod bis zu seinem eigenen kam es immer wieder vor, dass ein Vertreter hier herausfuhr, um zu versuchen, dem exzentrischen Einsiedler etwas zu verkaufen. Oder dass hier ein Pärchen entlang spazierte, um den Sonnenuntergang zu genießen, und beschloss, sich das große Anwesen an den Klippen aus der Nähe anzuschauen. Die Polizei fand eine dieser Leichen nach der anderen. Menschen, die schon seit Jahren als vermisst galten. Und das älteste Opfer, das sie fanden, war Charlotte O’Donaghan.«
Williams legte eine künstlerische Pause ein, um die Vorstellung dieser Frau, deren lebloser Körper jahrzehntelang unter den Brettern ihres eigenen Hauses gelegen hatte, ein wenig wirken zu lassen. Dann fuhr er fort: »Natürlich war von ihr nur noch das Skelett übrig. Man identifizierte sie anhand der Überreste ihrer Kleidung und ihres Eherings.«
Damit hielt er das Auto an und schaltete den Motor aus. Obwohl das Anwesen noch ungefähr 200 Meter entfernt war, hatte Williams am Straßenrand auf einer kleinen Anhöhe geparkt. Vermutlich, weil man von hier den besten Blick darauf hatte, mutmaßte Zamorra.
Nicole, Zamorra und der Dekan stiegen aus.
Die Nacht war wolkenlos und der Vollmond war tatsächlich hell genug, um das Haus deutlich erkennen zu können. Der Dämonenjäger stellte fest, dass das Anwesen aus der Nähe weniger bedrohlich aussah. Es war ein etwas baufälliges, verlottertes Gebäude, mehr nicht. Aber für sein Alter hatte es sich recht gut gehalten. Trotz vieler kleiner Beschädigungen war kein größerer Teil in sich zusammengefallen. Ein Schild, das vor dem Treppenaufgang aufgestellt worden war, untersagte allerdings wegen Einsturzgefahr das Betreten des Anwesens.
»Wie ist O’Donaghan gestorben?«, fragte Nicole.
»Das ist der abschließende Höhepunkt der Geschichte«, antwortete Williams, der mit fasziniertem Gesichtsausdruck das Haus anstarrte, als habe ihn seine eigene Geschichte in den Bann gezogen. »Er und Charles Borell wurden gemeinsam im Salon gefunden. Sie hatten sich offenbar gegenseitig getötet. Einige der Dielenbretter waren ausgehebelt, sodass man die Leichen darunter sehen konnte. Man geht davon aus, dass Charles die Opfer entdeckt hat und John daraufhin versucht hat, ihn umzubringen. Das ist ihm immerhin gelungen. Aber Borell schaffte es kurz vor seinem Tod noch, O’Donaghan ebenfalls mit einem Feuerhaken zu erwischen.«
»Das dürfte O’Donaghan zum ersten dokumentierten Serienkiller dieser Region gemacht haben«, bemerkte Zamorra.
»Allerdings. Und wenn man den Gespenstergeschichten glauben schenkt, führt sein Geist sein blutiges Werk hier weiter«, erwiderte Williams mit einem leichten Lächeln, das zeigte, was er von solchen Geschichten hielt.
»Meinen Sie, wir können einen Blick hinein werfen?«, erkundigte sich Nicole.
Skeptisch schüttelte Williams den Kopf. »Ich würde davon abraten. Das Gebäude ist wirklich ziemlich baufällig. Soweit man weiß, ist zwar bisher noch nie jemand zu Schaden gekommen, aber wir sollten das Risiko besser nicht eingehen, denke ich.«
Nicole und Zamorra warfen sich einen kurzen Blick zu. Wenn hier schwarzmagische Einflüsse im Spiel sein sollten, konnten sie diese mit dem Stern des Merlin enthüllen.
Dieses Amulett, das der Erzzauberer Merlin selbst aus der Kraft einer entarteten Sonne erschaffen hatte, verfügte über verschiedene erstaunliche Fähigkeiten, zu denen auch das Aufspüren der Einflüsse schwarzer Magie gehörte.
Aber dazu mussten sie das Haus betreten. Doch wie sollten sie darauf beharren, ohne das Misstrauen des Dekans zu erregen?
Vielleicht sollten wir die Sache vergessen, dachte Zamorra. Die Geschichte des Dekans ist beendet und aller Wahrscheinlichkeit nach war sie eben auch nur das: eine Geschichte. Wir werfen von den Klippen aus noch einen Blick auf das Meer im Mondschein, und dann fahren wir zurück.
Immerhin war es sowieso mehr als wahrscheinlich, dass es nichts als Zeitverschwendung wäre, das Anwesen näher zu betrachten.
Gerade als er den Mund öffnete, um einen dementsprechenden Vorschlag zu machen, hallte ein markerschütternder Schrei aus dem Haus.
»Mein Gott! Da ist
Weitere Kostenlose Bücher