078 - Das Dorf der Wolfsmenschen
geschah?“
„Ja“, sagte er. „Die Werwölfe holten sie ins Dorf zurück.“
„Ist sie noch am Leben?“
Er hob die Schultern und ließ sie langsam sinken. „Ich weiß es nicht, doch ich glaube nicht, daß sie ihr etwas tun werden. Liegt Ihnen etwas an diesem Mädchen?“
Das war eine Frage, die mich zum Nachdenken zwang. Lag mir wirklich etwas an Susan? Es war lange her, seit ich mehr als reines sexuelles Interesse für eine Frau empfunden hatte. Ich war mir über meine Gefühle Susan gegenüber nicht klar.
„Schwer zu sagen“, meinte ich schließlich. „Ich fand sie nett. Sie half mir. Sie ist ein freundliches Mädchen, und ich möchte nicht, daß ihr etwas geschieht.“
„Ich verstehe“, sagte Catalin.
Eva setzte sich zu uns.
„Hast du Dick das Grab seines Vaters gezeigt?“ fragte sie.
Catalin nickte.
„Wollen Sie mir nicht doch endlich reinen Wein einschenken?“ fragte ich.
„Ich darf Ihnen nichts sagen“, meinte er bedauernd. „Noch nicht. Sie müssen Geduld und Vertrauen haben.“
Ich lachte spöttisch. „Ich komme mir wie ein Bauer vor, der von einem Verrückten auf einem Schachbrett hin und her geschoben wird.“
„Das kann ich mir denken“, sagte Eva sanft.
„Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als nach New York zu fahren und mit meiner Mutter zu sprechen“, stellte ich fest.
Die beiden nickten.
„Ich bringe Sie hin“, sagte Eva und stand auf.
Es waren etwa dreihundert Meilen bis nach New York.
„Haben Sie keine Angst, daß uns die Werwölfe verfolgen werden, Eva?“ fragte ich nach einigen Minuten Fahrt.
„Nein. Sie werden uns in Ruhe lassen.“
„Weshalb sind Sie so sicher?“
„Ich weiß es“, sagte sie.
„Erzählen Sie mir etwas über sich“, bat ich.
„Was wollen Sie wissen?“
„Alles“, sagte ich.
„Ich bin 23“, sagte sie. „Ich wurde im Haus meines Vaters geboren. Meine Mutter starb, als ich sechs Jahre alt war. Sie wurde ein Opfer der Werwölfe. Mein Vater übersiedelte nach Albany, und dort wohnen wir fast das ganze Jahr, die restliche Zeit halten wir uns am Lake Placid auf.“
„Und was machen Sie in Albany?“
„Ich studiere“, erklärte sie. „Völkerkunde.“
„Hm“, meinte ich. „Ihr Vater erzählte mir, daß es Vampire und Werwölfe gibt, die sich feindlich gegenüberstehen. Können Sie mir darüber etwas erzählen?“
„Nein“, sagte sie bestimmt.
„Herr im Himmel“, sagte ich anklagend. „Auf fast alle meine Fragen bekomme ich keine Antwort.“
„So verstehen Sie doch, Dick“, sagte sie beschwörend. „Ich darf Ihnen nichts sagen. Das wird Ihre Mutter besorgen. Gegen Abend sind wir in New York, und dann werden Sie alles erfahren, was Sie wissen müssen.“
„Welchen Beruf hat Ihr Vater?“
„Er besitzt eine Spielzeugfabrik“, sagte sie.
Ich war verblüfft.
Wir erreichten den Highway 87, und nach dem Schroon Lake setzte ich mich hinters Steuer.
Wir kamen flott vorwärts. Es herrschte nur wenig Verkehr. Kurz bevor wir Albany erreichten, hielt ich an einer Raststätte, und wir aßen eine Kleinigkeit.
Dann wollte ich weiter. Ich konnte es kaum erwarten, bis wir in New York City waren.
Als wir Yonkers erreichten, wurde es langsam dunkel. Wir gerieten in den dichten Abendverkehr.
Ich durchquerte den Van Cortland Park und bog in den Major Deegan Expreßway ein, der völlig verstopft war. Wir fuhren den Hartem River in Richtung Süden entlang.
Nach zwanzig Minuten überquerten wir die Hamilton Bridge und rollten durch die Amsterdam Avenue. Nach kurzem Suchen fand ich einen Parkplatz, nur einen Blick vom Haus meiner Mutter entfernt.
„Kommen Sie mit, Eva?“ fragte ich.
„Ja“, sagte sie.
Wir stiegen aus, und sie sperrte den Wagen ab. Wir hatten nur wenige Schritte zu gehen und blieben vor dem Haus Nummer 4356 stehen. Meine Mutter lebte seit zehn Jahren in diesem Penthouse.
Wir traten ein, und der Portier begrüßte mich freundlich. Mit dem Aufzug fuhren wir in den zehnten Stock, gingen auf die dem Lift gegenüberliegende Tür zu. Collins, stand auf einem einfachen Schild.
Ich drückte auf den Klingelknopf. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis die Tür geöffnet wurde. Meine Mutter lächelte mir zu.
Sie war eine hochgewachsene Frau, die in ihrer Jugend bildhübsch gewesen war. Man sah es noch heute. Ihr honigfarbenes Haar war sorgfältig frisiert. Sie trug ein dunkelblaues, einfaches Kleid.
„Tag, Mutter“, rief ich und trat ein.
„Ich habe dich erwartet“, sagte sie. Dann
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