078 - Küss’ niemals Choppers Geisterbraut
frei sein...«
Die Hexe Marina stand dem Mann so na he gegenüber,
dass sie das kalte, gierige Leuchten in seinen Augen erblicken konnte. Sie
lächelte. Mit Chopper war ihr ein besonderer Fang geglückt. Die Begegnung mit
ihm hatte ihre eigenen Fähigkeiten erweitert und ihre Hexenkräfte gestärkt. Wer
glaubte, dass es heute keine Hexen mehr gab, der täuschte sich. Sie war eine reinsten
Blutes. Auch ihr Ziel war es, in ihrem Bereich andere Menschen zu beherrschen
und auszunutzen. Sie wollte einen Zirkel aufbauen, in dem diese Kräfte
gefördert und gestärkt wurden. Ihr Ziel war es, den leibhaftigen Satan auf die
Erde zu rufen und ihn unter den Menschen wirken zu lassen. Auf dem Weg dorthin
aber konnten ihr einige Menschen, die sie bisher schon auf der Suche nach
Seiten aus dem Buch Die Magie der unsichtbaren Zauberwesen empfindlich
gestört hatten, gefährlich werden.
Sie kannte die Namen dieser Personen. Larry Brent,
Iwan Kunaritschew und Peter Pörtscher, der ihr in Wien schon so nahe auf den
Fersen war. Sie mussten schnell und konsequent aus dem Weg geräumt werden. Sie
waren Männer. Um Marinas Lippen zuckte es. »Männer sind schwach. Sie werden den
Reizen einer Frau erliegen, Chopper. Aber diesmal im wahrsten Sinn des
Wortes...«
●
Zusammen mit Chopper, der nun Fürns Körper besaß, ging
sie noch einige Meter zurück. Eine schmale Treppe führte den flachen Damm hoch,
der nahe der Straße lag, die um diese Zeit nicht mehr stark befahren war. Hier
stand vor dichten Büschen eine leere Bank, über
deren Rückenlehne ein heller Trenchcoat hing. Darunter lag noch mehr...
Eine blonde Perücke. In der rechten Tasche des Mantels
steckte eine auffällig große Brille, deren Bügel mit winzigem, schimmerndem
Strass besetzt waren. Wortlos stülpte Marina die Perücke über, setzte die
Brille auf und zog den Mantel an. Sie sah völlig verändert aus. Dies war ihre
äußere Erscheinung, in der sie das Hotel Berger’s Hof v erlassen hatte.
Nach ihrer Ankunft hier unten, jenseits des Dammes, hatte sie diese Dinge
abgelegt und war Gerold Fürn mit ihrem wahren Aussehen gegenübergetreten. Sie
benutzte die Maskerade nur während ihres Aufenthalts im Hotel. Durch den
geistigen Kontakt, den sie permanent mit Chopper aufrecht erhielt, hatte sie
erfahren, dass der Geist im Körper der sterbenden und dem Wahnsinn nahen Sonja
Scharner unterwegs war.
Die verkleidete Hexe ging um die Bank herum. Unter den
Büschen ragten die nackten Füße einer Gestalt hervor. Die Fußzehen sahen aus
wie abgefault. Die Haut war schwammig, grauweiß bis verschimmelt, und die
blanken Knochen schimmerten durch das restliche dünne Gewebe. Zwischen den
Büschen lag Sonja Scharners Leiche. Nur noch zu erkennen an dem Ehering an
ihrem Finger und dem weißen Nachthemd, das sie trug. Zwei Schritte von der
Toten entfernt lag noch eine Leiche. Sie war männlich und bekleidet mit einer
dunklen Hose und einem hellgrauen T-Shirt. Es war der Taxifahrer, der dem
Angriff Choppers aus dem Leib Sonja Scharners nichts mehr entgegensetzen
konnte. Ohne irgendeine Regung trat die Hexe auf die Straße.
Das fragliche Taxi stand zehn Schritte entfernt.
Gerold Fürn steuerte mit sicherem Schritt darauf zu und übernahm das verlassene
Fahrzeug, in dem noch der Zündschlüssel steckte. Beim ersten Startversuch
sprang der Motor an, und der Mercedes Diesel tuckerte los. Der helle Wagen
verschwand Richtung Innenstadt. Marina sah ihm nach, bis die roten Rücklichter
zwischen anderen Fahrzeugen untertauchten. Die Hexe mit der blonden Perücke und
der leicht getönten Brille mit den großen Gläsern überquerte die Straße. Gleich
darauf schluckte sie der hellerleuchtete Glaseingang des Hotels. Hinter der
Rezeption saß der Nachtportier und las Zeitung. Als die junge Frau eintrat,
lächelte er freundlich und nahm sofort den
Schlüssel vom Brett. »Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht«, sagte er.
»Ich Ihnen auch.« Stolz und hoch aufgerichtet ging die
blonde Frau zum Aufzug. Die große Uhr über dem Lift zeigte wenige Minuten vor
Mitternacht. Das Mädchen Marina war nur als Blondine in diesem Haus bekannt.
Die Hexe war nicht daran interessiert, auf ihre Spur aufmerksam zu machen. Sie
wollte von sich ablenken und das Interesse auf Choppers Wiederkunft richten.
Die PSA würde diesmal, davon war sie fest überzeugt, einen schlimmen und für
ihre Leute verhängnisvollen Denkfehler begehen. Sie würde sich auf Chopper
konzentrieren und ihre wahre Täterschaft nicht
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