0781 - Die Hexe von Hilversum
würde auch jetzt so sein. Er dachte jedenfalls keinen Moment daran, den Auftrag seines Chefs abzulehnen.
»Du musst sie töten!«
Tigre sagte nichts. Er hob nur die Augenbrauen an und blickte seinen hinter dem Schreibtisch sitzenden Chef scharf an. Er sah dabei in das etwas fleischige und verlebt wirkende Gesicht Jan de Rijbers, der den Mund zu einem harten Grinsen verzogen hatte. Sein Haar war glatt nach hinten gekämmt. Ein Gel hatte für einen schmierigen Glanz gesorgt.
»Ist das okay, Tigre?«
»Wie soll ich sie killen?«
»Das überlasse ich dir. Vor allen Dingen lautlos. Ich kenne dich, ich weiß, wie schnell du bist. Du bist wie ein Schatten, du bist lautlos, du wirst dich locker und unbemerkt in ihre Nähe schleichen, kann ich mir vorstellen. Ich glaube nicht, dass es großen Ärger geben wird.«
Tigre hob die Schultern.
Sein Kollege stand ihm indirekt bei. »Das ist kein normaler Killer, Chef. Das ist eine Frau, nein, das ist eine Hexe. Wir werden Mühe haben, und ich kann mir vorstellen, dass sie ein besonderes Warnsystem eingebaut haben, wenn ich das mal so sagen darf.«
»Ist alles klar, das weiß ich, aber ich sage euch eins: Wir werden uns von ihr nicht in die Enge treiben lassen. Das kommt nicht in Frage. Wir sind die Herren, wir werden unser Spiel durchziehen, egal, was daraus wird. Habt ihr mich verstanden?«
Sie nickten wie artige Schuljungen.
Tigre hatte noch eine Frage. »Wie ich dich kenne, Chef, hast du schon eine Vorstellung, wie…«
»Habe ich.«
»Dann frage ich dich, wie alles ablaufen soll. Sollen wir Linda Vermool nach der Sendung auflauern und…«
»Nein. Nicht nach der Sendung.«
»Wann denn?«
De Rijber hob die Schultern. »Wir werden sehen. Ich habe Karten besorgt. Wir gehen wie normale Zuschauer ins Studio, und wir werden uns mal hinter den Kulissen umsehen.«
»Dann willst du sie vor der Sendung killen?«
»Das hatte ich mir eigentlich gedacht. Wäre doch interessant, zu sehen und zu hören, wie man den Ausfall der Sendung ›Unheimliche Phänomene‹ erklärt, oder nicht?«
Rudi grinste. »Das würde mir schon Spaß machen.«
»Dann ist alles klar.«
Tigre hatte eine Frage. »Kann man Hexen erschießen?«
De Rijber schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Du sollst sie auch nicht erschießen, Tigre. Du bist mit dem Messer spitze. Nimm deine Klinge, schneide ihr den Kopf ab, zieh ihr das Messer durch die Kehle. Ich will nur, dass sie tot vor meinen Füßen liegt.«
Rudi und Tigre schauten sich an. »Wir erledigen es gemeinsam«, schlug Tigre vor.
»Das Töten?«, fragte Rudi.
»Nein, du wirst darauf achten, dass uns niemand stört. Am besten geeignet wäre ihre Garderobe.«
»Einverstanden. Dann sag mir nur, wie wir dort unbemerkt eindringen können.«
Tigre grinste breit. »Das, mein lieber Rudi, laß nur meine Sache sein. Ich bin noch immer überall dort hineingekommen, wo ich es wollte. Darauf kannst du dich verlassen.«
Jan de Rijber schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch.
»Bravo, das ist genau die richtige Einstellung, Freunde…«
***
Ich hatte mir am Airport einen Leihwagen geholt und schaukelte nun mit dem Golf in Richtung Hilversum, was nicht mehr als ein Katzensprung war.
In Hilversum angelangt, fragte ich mich durch, denn mein Ziel war das Hotel, in dem Jane abgestiegen war. Lady Sarah hatte mich darüber informiert.
Es lag in einer ruhigen Gegend, in der die Natur noch so aussah, als wäre sie in Ordnung. Kleine Häuser, viel Baumbestand und mit Steinen gepflasterte Straßen.
Vor dem Hotel stoppte ich meinen Golf und hatte beim Aussteigen schon den Eindruck, zu spät gekommen zu sein.
Es war nur ein Gefühl, aber es ließ sich nicht wegleugnen. Mit gemessenen Schritten ging ich auf die dunkelblau gestrichene Eingangstür zu und schaute an der Zuckerbäckerfront des Hauses hoch, wo sich die Fenster mit den hellen Rahmen verteilten.
Es war ein kleiner Traum, und ich beneidete Jane ein wenig, dass sie sich hier ein paar Tage erholen konnte.
Es war eine Klingel vorhanden, die ich betätigte, und wenig später stand eine dralle Person mit kurz geschnittenen Haaren vor mir, die mich freundlich anschaute.
Ich stellte mich vor, freute mich, dass sie Englisch sprach, und erkundigte mich nach Jane Collins, nachdem ich ihr gesagt hatte, dass ich ein Freund war.
»Ja, Miss Collins wohnt bei uns.«
»Das ist fein, dann…«
»Nein, Mr. Sinclair. Sprechen können Sie Miss Collins nicht. Sie hat das Haus verlassen.«
Ich runzelte
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