0781 - Die Hexe von Hilversum
schockierte sie. Den rechten Arm hatte Linda angewinkelt. Die Finger ihrer Hand umkrallten einen grünlich schimmernden Totenschädel. In der anderen Hand hielt sie einen dunklen Stab, der sich in seinen oberen Ende drittelte.
Drei kleine Teufelsköpfe, die aussahen wie Ziegenbockschädel, schauten in verschiedene Richtungen. Der mittlere glotzte mit seinen kalten gelben Augen Jane Collins an, deren Herzschlag sich beschleunigt hatte.
Es war noch mehr geschehen.
Jane, die ehemalige Hexe, spürte, dass dies hier nicht nur Schau oder Verkleidung war. Linda Vermool bezweckte etwas Bestimmtes damit und stand auch voll dahinter, das war deutlich zu spüren.
Auch in Jane schlummerten noch immer einige dieser alten Kräfte, auch wenn sie nicht so direkt zu Tage traten.
Mit einer beinahe hundertprozentigen Sicherheit wusste Jane, dass sie zwar einen Menschen vor sich hatte, gleichzeitig aber auch eine Hexe, das konnte Linda nicht verbergen. Etwas war mit ihr geschehen, obwohl sie sich äußerlich nicht verändert hatte. Die Wandlung hatte in ihrem Inneren stattgefunden, und Jane ging davon aus, dass der Teufel dabei eine nicht unwesentliche Rolle gespielt hatte. Linda Vermool war der schwarzen Magie verfallen.
Jane wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie überlegte fieberhaft, zwang sich zu einem Lächeln und schaute zu, wie Linda den Stab gegen den Garderobentisch lehnte und den Menschenknochen aus ihrem Mund nahm, damit sie sprechen konnte. Sie legte ihn auf den schmalen Garderobentisch und fragte flüsternd: »Weißt du, wem der Knochen hier gehört hat?«
»Nein…«
»Ich habe ihn mir besorgt. Er stammt von Piet de Rijber, einem menschlichen Schwein. Ich habe ihn von einem Hund blank nagen lassen.« Sie lachte und schaute Jane an, die plötzlich erschauderte.
»Warum nimmst du nicht Platz, Schwester?«
Schwester, hatte sie gesagt. Jane wollte ihr widersprechen, denn sie fühlte sich keineswegs als Schwester der Linda Vermool. Sie zählte sich nicht zu den Hexen, das lag zurück, sehr lange sogar. Sie sagte jedoch nichts und wartete ab.
Zwei kleine Sessel gab es in der Garderobe, zwischen ihnen stand ein runder Tisch. Jane sah einen mit Eis gefüllten Champagnerkübel, aus dem der Hals einer Flasche ragte. In zwei schmalen Gläsern fing sich das Licht der Deckenleuchte und ließ sie funkeln.
»Schenke uns zwei Gläser Champagner ein«, sagte Linda Vermool, stellte auch den Totenschädel weg und setzte sich in einen der Sessel. »Wir wollen auf das Gelingen einer besonderen Sendung trinken.«
Jane hatte beschlossen, sich zu fügen und sich vorerst nicht gegen die Hexe zu stemmen. Nur so war sie in der Lage, mehr über gewisse Dinge zu erfahren. Sie nahm die Flasche aus dem Kübel und musste sich zwingen, ihre Hand ruhig zu halten. Linda sollte nicht merken, wie erregt sie innerlich war. Möglicherweise hatte sie das längst herausgefunden, aber darauf wollte es Jane ankommen lassen. Sie setzte sich in den anderen Sessel.
Das leise Perlen des Champagners war das einzige Geräusch innerhalb der Garderobe. Jane reichte Linda ein Glas. Die Hexe von Hilversum beugte sich vor, nahm es entgegen, und für einen Moment berührten sich die Finger der beiden Frauen. Jane stellte fest, dass Lindas Haut ungewöhnlich kalt war, beinahe wie die einer Leiche, und wieder fielen ihr Lady Sarahs Warnungen ein. Die Horror-Oma schien mal wieder Recht gehabt zu haben.
Die Moderatorin war bereits geschminkt, wie Jane feststellen konnte, und Linda hob jetzt das Glas.
»Cheers, Jane, auf uns. Auf uns Schwestern…«
Die Detektivin schüttelte leicht den Kopf. »Wieso auf uns Schwestern?«, flüsterte sie.
»Sind wir das nicht?«
»Nein, ich denke nicht.«
»Trink erst einmal.«
Der Champagner gehörte zur besten Sorte. Gern hätte Jane ihn genossen, doch nicht in dieser Situation. Dass das Getränk vergiftet sein könnte, daran wollte sie nicht denken. Vorsichtig stellte sie das Glas ab und fragte sich dabei, was Linda Vermool mit ihr vorhatte.
»Geht es dir gut, Jane?«
»Nun ja, den Umständen entsprechend. Ich bin ein wenig aufgeregt. Es ist schließlich meine erste Sendung. Dazu noch live…«
»Das kann ich gut nachvollziehen. Selbst ich habe noch immer Probleme mit dem Lampenfieber.« Sie trank wieder, ließ Jane dabei aber nicht aus den Augen. »Das heißt, bis heute hatte ich Lampenfieber. Nun ist es vorbei.«
»Wie schön.«
»Willst du nicht den Grund wissen?«
»Nein, ich möchte lieber mehr über meinen
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