0781 - Die Hexe von Hilversum
ist ja nicht weit.«
»Gut, mache ich. Wo kann ich dich finden?«
»In der Halle drei. Man wird dir dort weiterhelfen. Wende dich nur an den Portier.«
»Klar. Aber du wartest dort?«
»Natürlich.«
»Dann bis gleich.« Jane legte den Apparat auf den Tisch und stand noch nicht auf, obwohl sie es eilig hatte. Im Prinzip wusste sie selbst nicht, weshalb sie noch sitzen blieb, aber irgendetwas war ihr nicht geheuer. Sie konnte nicht sagen, was es war, nur spürte sie die inneren Vibrationen, und nach einer Weile des Nachdenkens ging sie davon aus, dass es an Linda Vermool gelegen haben konnte.
An ihrer Stimme, zum Beispiel. Sie hatte nicht mehr so locker geklungen wie sonst. Sie war zwar zuvorkommend gewesen, aber irgendwie geschäftlich und knapp. Da stimmte etwas nicht…
Jane wollte nicht unbedingt schwarz sehen. Es konnte durchaus sein, dass Linda Vermool so kurz vor der Sendung unter einem starken Stress stand. Schließlich ging alles live über den Sender. Da konnte man noch so viel Routine haben, doch jede Sendung war immer wieder ein Sprung ins kalte Wasser. Vieles konnte schief gehen…
Man würde sehen.
Jane brachte den Apparat zurück. Die Hotelbesitzerin stand an der Rezeption und wechselte die Zeitschriften aus. »Ich hätte gern ein Taxi«, bat Jane.
»Geht es jetzt los?«
»Ja.«
»Dann wünsche ich Ihnen viel Glück.«
Jane nickte. »Danke sehr. Ich drücke mir ja selbst auch die Daumen.« Sie lächelte verkrampft. »Aufgeregt bin ich schon, das können Sie mir glauben. Es prickelt überall.«
»Das ist das Lampenfieber.«
»Ja, das wird es wohl sein.«
Die Wirtin telefonierte, während Jane vor der Hoteltür stand und durch die obere Glasscheibe auf die schmale, von Bäumen gesäumte Straße schaute. Sie fragte sich dabei, was sie wohl in den nächsten Stunden erwartete.
Der Druck, dieses seltsame Gefühl in ihr, nahm langsam, aber sicher zu…
***
Luxus und Protz, kostbare Teppiche und wertvolle Möbel. Ein Haus wie ein Traum. Nicht so die Bewohner, die glichen mehr einem Albtraum, besonders der Besitzer, Jan de Rijber.
Er hatte in den letzten Stunden der vergangenen Nacht und auch in denen des Tages keine Ruhe gehabt. Das Verschwinden der Linda Vermool war ihm nicht aus dem Kopf gegangen. Immer wieder hatte er darüber nachgedacht und mit seinen beiden Leibwächtern diskutiert, doch eine Lösung hatte keiner von ihnen gefunden.
Wie konnte ein Körper, der eigentlich zerschmettert auf dem Boden hätte liegen müssen, sich aus den Knöchelschlingen befreien und einfach weg sein?
Das wollte den Männern nicht in den Kopf, und Jan de Rijber war auch kein Mensch, der sich damit abfand. Er hatte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um die Leiche, falls es überhaupt eine gab, zu finden. Was er getan hatte, war nicht wenig gewesen, schließlich reichten seine Beziehungen verdammt weit, doch niemand seiner Bekannten und »Freunde« hatte ihm helfen können.
Er war sauer. Er war müde. Er fühlte sich ausgelaugt, aber das war nicht das Schlimmste. Er spürte, auch, dass ihm mit dieser Person eine Gegnerin erwachsen war, die er so leicht nicht unterschätzen durfte. Deshalb hatte er sich einen Plan zurechtgebastelt, den er schon bald in die Tat umsetzen wollte.
Jan de Rijber wollte nicht zugeben, dass er und seine Leute die Sache verbockt hatten. Es gab keinen oder keine, die besser waren als er. Nicht hier im Land. Wenn es einmal so aussah, dass er an Boden verlor, dann wollte er ihn so rasch wie möglich wieder zurückgewinnen. Deshalb dieser Plan, und deshalb auch der Anruf, der ihn vor kurzem erreicht und dafür gesorgt hatte, dass alles glatt verlaufen würde.
Ja, es musste klappen!
De Rijber hockte hinter seinem Schreibtisch und schaute in die Leere seines überdimensionalen Büros. Hinter ihm befand sich die halbrunde Fensterfront, jenseits davon breitete sich der große Garten mit dem alten Baumbestand aus. Das Glas war schusssicher, denn trotz aller Macht fürchtete Jan de Rijber um sein Leben. Jetzt noch mehr als früher, denn sein Gegner hatte eine andere Dimension angenommen.
Er dachte darüber nach, wie er die Frau einschätzen sollte. Für ihn war sie eine Hexe, aber sahen so Hexen aus? Er lachte selbst darüber, denn bisher hatte er sich Hexen immer anders vorgestellt. Alt und bucklig, womöglich mit einer Warze auf der Nase. Das aber waren Erinnerungen aus seiner Kindheit. Die heutigen Hexen sahen eben anders aus. Er glaubte fest daran, dass es sie gab, zwar anders,
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