0782 - Knochenbrut der alten Templer
gegenseitig erkennen zu können, aber nicht nur das. Der Widerschein floss nicht allein über die Gesichter der versammelten Menschen, er berührte auch den silbernen Knochenschädel eines ebenfalls silbernen Skeletts, das in einem Sarg lag und sich nicht rührte. Es war in den langen, tiefen Schlaf gefallen, der allerdings nicht mit dem des Todes zu vergleichen war, denn wenn das Skelett des Hector de Valois es für richtig hielt, dann erhob es sich aus dieser steinernen Ruhestätte, um in das Schicksal einzugreifen.
Bisher hatte es sich nicht gerührt, was die Templer immer tiefer in die Depression trieb, denn sie hatten ihre Hoffnungen auf das silberne Skelett gesetzt, doch das hatte sich bisher nicht gerührt.
So war ihnen nichts anderes übrig geblieben, als zu warten und einen Nachfolger für den Abbé zu wählen, solange dieser noch nicht wieder zurückgekehrt war.
Sie hatten diesen Mann gefunden, und sie hatten ihn auch einstimmig gewählt.
Es war Lucien! Er hatte sich dann überwunden, war nach Alet-les-Bains gegangen, war auch wieder zurückgekehrt und hatte seinen Getreuen einen sehr traurigen Bericht geben müssen. Sie alle wussten jetzt über das Schicksal ihres Freundes Alain Ducasse Bescheid und konnten es einfach nicht fassen, dass ihn die schwarze Flut erwischt hatte.
Schon wieder war ein Tag vergangen. Allmählich näherte sich die Nacht. Der Himmel, nur ein schmaler Streifen am Ende der beiden Felsen, nahm allmählich eine dunklere Farbe an. Schatten krochen in das Tagesgrau hinein, als wären sie die Vorboten eines düsteren Unheils.
Der Optimismus der kleinen Templergruppe war verschwunden, Sie waren sehr froh gewesen, der schwarzen Flut entwischt zu sein, nun aber machte sich die Sorge breit, dass sich nichts mehr so einrenken könnte, wie es einmal gewesen war.
Die Männer sprachen nicht darüber, doch den Blicken und ihren Gesichtern war anzusehen, was sie dachten. Es war ein seltsamer Zustand. Sie verfielen weder in eine Lethargie, noch beschwerten sie sich, nur konnte niemand die seltsame Unruhe überdecken. Keiner blieb mehr auf seinem Platz sitzen. Die Männer standen auf oder gingen hin und her, wie es der Platz erlaubte.
Bei ihrer Flucht hatten sie genügend Proviant und auch Wasser mitgenommen. Diese Vorsorge machte sich nun bezahlt, denn keiner brauchte Hunger oder Durst zu leiden.
Auch Lucien hatte sich wieder von den Strapazen erholt. Keiner von ihnen war verweichlicht. Sie alle sahen sich als zäh an, sie wollten überleben, und sie wollten sich den Problemen stellen.
Längst war ihnen bewusst geworden, dass ihr Todfeind Baphomet zu einem gewaltigen Angriff auf sie ausgeholt hatte und er immer raffiniertere Methoden anwandte.
Lange konnten sie in ihrem Versteck nicht mehr ausharren. Der Proviant und das Wasser würden irgendwann zur Neige gehen, und dann mussten sie einfach hinaus.
Hoffnung gab ihnen das silberne Skelett. Es lag in seinem Steinsarg wie ein schlafender Wächter.
Es war ihr Hüter, ihr Aufpasser, und es würde sich wehren, sollte es von den Mächten der Finsternis angegriffen werden.
»Wird er kommen?«
Einer hatte die Frage gestellt, und Lucien, der die Nachfolge des Abbés Bloch kommissarisch angetreten hatte, hob die Schultern.
»Ich weiß es nicht. Wir haben uns das oft gefragt, aber Alain ist im Ort geblieben. Ich glaube es nicht. Er fühlt sich als Hüter, er will das Haus bewachen, er will uns erwarten. Die andere Kraft hat ihn voll und ganz in ihren Besitz genommen. Wenn ihr ihn seht, wird er sich äußerlich nicht verändert haben, in seinem Innern jedoch ist es anders. Da ist er kein Mensch mehr, sondern eine menschliche Bestie, ein grausames Tier, das uns alle vernichten will.«
Die anderen Templer kamen herbei, als sie Luciens Worte hörten.
Sie waren begierig darauf, etwas zu erfahren, und sie wollten auch nicht mehr länger in diesem Versteck bleiben, denn sie waren einfach nicht die Typen, so etwas zu tun. Sich zu verbergen, die Augen vor der Gefahr zu schließen. Sie mussten etwas unternehmen, und Lucien spürte die Unruhe der Freunde ebenfalls.
»Du warst mit dem Abbé zusammen«, wurde ihm gesagt. »Du kennst ihn am besten…«
»Das stimmt.«
»Du hast auch seinen Wunsch erfüllt.«
»Ja.«
Der Sprecher schob sich vor, bis er auf den auf einem Stein sitzenden Lucien herabschauen konnte. »Dann sag uns bitte, wie der Abbé gehandelt hätte. Wir sitzen hier herum, wir haben uns versteckt, was sonst gar nicht unsere Art ist.
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