0784 - Avalons Geistergräber
Nadine, und ihre Gesichtszüge lösten sich auf.
Sheila schaute uns an. Ratlos, verwirrt. Dann seufzte sie und sagte:
»Ich habe tatsächlich meine Gabel fallen lassen. Mein Gott, was bin ich ungeschickt heute.«
Bevor sie sich bücken konnte, um die Gabel aufzuheben, war Bill bei ihr. Er blieb auch in ihrer Nähe, legte beide Hände auf ihre Schultern und küsste ihre Wangen. »Sie ist so kalt«, sagte er leise.
Sheila fühlte nach. »Ja, das stimmt. Komisch, dabei ist es hier doch warm.« Sie schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich nicht. Und überhaupt, was starrt ihr mich eigentlich so an, als ob ich etwas an mir hätte. Was ist denn los?«
Ich nickte Bill zu. Es war besser, wenn er seiner Frau alles erklärte.
Er war auch einverstanden und blieb bei seiner Frau. Die Hände lagen noch immer auf Sheilas Schultern. »Weißt du nicht, was geschehen ist?«
Sheila schüttelte unwillig den Kopf. »Nein, was sollte ich denn wissen müssen?«
Bill wand sich. Er wusste nicht so recht, wie er beginnen sollte.
»Da war ein Gesicht, ein Schatten«, fing er an.
»Wo?«
»Auf deinem Gesicht!«
Sheila überlegte. Ich sah sehr gut, wie sie Luft holte und wie ihr Gesicht rot anlief. Plötzlich brach es wie eine Welle aus ihr hervor:
»Was war da?«, schrie sie und wäre in die Höhe geschnellt, hätten die beiden Hände sie nicht gehalten. »Wer denn? Wer sollte…«
»Nadine Berger«, sagte Johnny.
Sheila hatte den Namen gehört. Ihre innere Verfassung änderte sich. Keine Wut mehr, kein Protest, sie schwieg und sank in sich zusammen. An der Tischkante stützte sich die Frau ab, und sie wusste auch, dass wir es nicht nötig hatten, ihr einen Bären aufzubinden.
Sie rang nach Worten, viel kam dabei nicht heraus. »Deshalb also«, sagte sie nur.
»Was meinst du?«
»Bill, da war etwas in mir. Etwas anderes, das ich nicht erklären kann. Es steckte in meinem Körper, es hatte sich ausgebreitet, es war fremd und trotzdem nicht feindlich. Es war eben anders. Ich habe es nicht beschreiben können, aber ich spürte die Furcht und die Bedrückung. Die Zeit schien angehalten worden zu sein. Ich kam mir vor wie eine Figur.« Jetzt sprudelte es aus ihr hervor. Immer wieder strich sie über ihr Gesicht und die Haare. Ihre Lippen bewegten sich schnell, und sie sprach noch einmal davon, dass sie übernommen worden war. Dann schüttelte sie sich und gab sich gleichzeitig beruhigt. »Zum Glück ist es nur Nadine Berger gewesen – oder deren Geist?«
»Das kann eher zutreffen«, sagte ich.
Wieder rang Sheila nach Worten. »Aber da muss es doch einen Grund gegeben haben, denke ich.«
»Stimmt. Es ging um Suko und um den Abbé Bloch.«
»Was habe ich damit zu tun, oder Nadine?«
Ich lächelte kurz. »Sie befindet sich – das wissen wir – auf der Nebelinsel Avalon. Aber sie ist nicht allein. Wer sich immer dort noch aufhalten mag, zwei weitere Personen sind noch hinzugekommen. Suko und der Abbé. Beide sind in Avalon verschollen, und beide wissen wahrscheinlich nicht, wie sie zurückkehren sollen. Darüber habe ich mir den Kopf zerbrochen, auch über eine eventuelle Rettung durch uns. Deshalb wollten Bill und ich nach Glastonbury fahren, um von dort aus zu versuchen, nach Avalon zu gelangen.« Ich hob die Schultern. »Nadine meldete sich. Sie tat es nicht grundlos, denn sie erklärte uns, dass es den beiden gut ginge und wir uns keine Sorgen zu machen brauchten.«
Sheila hatte zugehört, ohne eine Miene zu verziehen. Sie schaute auf den Teller, wo das Hähnchen lag und darauf wartete, verspeist zu werden. Sheila schob die Mahlzeit von sich. »Ich denke, ich kann jetzt nichts mehr essen. Das ist für mich so anders gewesen, wie eine Reise, die ich nicht habe machen wollen. Es gibt immer Dinge, die sind unerklärlich, erst recht für mich.« Sie schüttelte den Kopf.
»Warum hat sich Nadine gerade mich ausgesucht? Könnt ihr mir das sagen? Und wieso ist sie in der Lage, dieses zu tun?« Erwartungsvoll schaute uns Sheila an. Sie wollte von ihrem Mann und auch von mir eine Antwort haben, doch beide mussten wir passen.
Dafür sagte Johnny einige Worte. Er malte dabei Kreise auf die Tischdecke. »Sie ist eben anders als wir. Die hat es hinter sich. Sie kann sich bewegen wie ein Geist. Sie durchgeleitet verschiedene Stufen, für sie gibt es keine Grenzen, versteht ihr? Wenn sie will, kann sie durch Mauern gleiten, durch Dimensionen oder Reiche. Sie… sie ist einfach wunderbar.«
Die Conollys und ich schauten den Jungen
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