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0784 - Avalons Geistergräber

0784 - Avalons Geistergräber

Titel: 0784 - Avalons Geistergräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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warm.«
    »Ich werde das Fenster öffnen.« Bill wollte aufstehen, doch in der Seitwärtsbewegung blieb er hocken. Er starrte Sheila an wie eine Fremde, auch mein Blick war in einem Erstaunen erstarrt.
    Johnny sah aus, als wollte er im nächsten Moment flüchten.
    Sheila fiel die Gabel aus der Hand. Sie tickte auf die Tischkante und landete auf dem Boden neben dem Stuhl. Niemand hob sie auf, weil jeder nur Sheila anstarrte.
    Es war etwas mit ihr geschehen.
    Etwas Unheimliches, Phantastisches.
    Über ihr Gesicht hatte sich ein zweites, ein geisterhaftes geschoben. Wir kannten es alle. Es war Nadine Berger!
    ***
    Das war ein Volltreffer, den wir alle nur schwer verdauen konnten.
    Sheila, Bill und ich schwiegen nicht nur, wir waren auch bleich geworden, doch Johnny, ebenso bleich, dann aber lächelnd, fing sich als erster. »Nadine«, hauchte er, »meine Güte, Nadine. Du bist es. Du bist nicht mehr die Wölfin, du bist der Mensch Nadine Berger.«
    Er stand so ruckartig auf, dass er den Stuhl durch die heftige Bewegung umwarf. Daran aber störte sich keiner.
    Der Junge hatte ein besonderes Verhältnis zu Nadine Berger gehabt. Besonders in der Zeit, als er aufgewachsen war und ihre Seele im Körper einer Wölfin steckte. Da war sie sein Hüter gewesen, der Aufpasser und Leibwächter. Die Wölfin hätte damals für den Jungen ihr Leben hergegeben. Zwischen diesen beiden so unterschiedlichen Wesen hatte ein sehr dickes Band aus Freundschaft und Vertrauen bestanden. Als Nadine wieder erlöst und zu einem normalen Menschen geworden war, da hatte gerade Johnny am meisten gelitten.
    Von den Conollys wusste ich, dass er am Abend lange wach gelegen und geweint hatte. Da hatte er stets den Trost seiner Eltern gebraucht. Und jetzt sah er Nadine als Mensch wieder. Ihr Gesicht hatte sich über Sheila Conollys geschoben, was Johnny kaum nachvollziehen konnte, zumindest hatte er seine erste Reaktion abgebrochen, war stehen geblieben und schaute Sheila abwartend und abweisend an.
    Sie rührte sich nicht. Steif saß sie auf ihrem Platz. Hinter den Zügen der Nadine Berger verschwamm ihr Gesicht. Auch die blonden Haare wurden von einem rötlichen Braun überschattet, eben die Haarfarbe der Nadine Berger.
    Ich sah, wie Bill den Mund öffnete, um etwas zu sagen. Das passte mir wieder nicht, weil ich einfach davon ausging, dass uns Nadine erschienen war, um etwas mitzuteilen. Deshalb bat ich meinen Freund, sich nicht zu rühren.
    Er hielt sich daran.
    Das Schweigen lastete tief und schwer auf uns. Wohl jeder spürte den Schauer der Kälte auf dem Rücken. Ich hatte das Gefühl, als würden die kleinen Eisklumpen am Ende meines Rückrats allmählich zerschmelzen.
    Sheila öffnete die Lippen – oder war es Nadine?
    So genau konnten wir das nicht sehen. Neben mir bewegte sich Johnny. Er hob in einer trancehaft anmutenden Geste den Stuhl wieder hoch und stellte ihn hin. Dann setzte er sich, sagte kein Wort, er wartete einfach nur ab.
    Sie sprach, und es hörte sich tatsächlich so an, als wäre ihre Stimme in einer anderen Welt geboren. Mit den ersten Worten schon wollte sie uns die Angst nehmen. »Ich weiß, welche Sorgen ihr euch um Suko und seinen Freund, den Abbé, macht. Glaubt mir, es ist unnötig, die beiden sind auf der Nebelinsel und fühlen sich sehr wohl. Es geht ihnen gut, ich habe sie gesehen, sie durchwandern die Insel und haben soeben einen Ort erreicht, wo sie eines der großen Wunder erleben werden. Sie sehen als Menschen der Gegenwart in die Vergangenheit hinein, und sie werden dieses Erlebnis nicht vergessen können. Es wird einfach wunderbar für sie sein, und ich glaube sicher, dass sie irgendwann wieder in ihre Welt zurückkehren werden.«
    Wir alle hörten die Worte, und wir sahen dabei einen schattenhaften Mund, der sich über Sheilas Lippen bewegte.
    Ich konzentrierte mich auf Nadine, soweit dies überhaupt möglich war. Ich musste viel von ihr sehen. Der Anblick sollte sich in mein Gedächtnis hineinsaugen, ich wollte zudem auch erkennen, ob sie sich durch den Aufenthalt in Avalon verändert hatte.
    Nein, das nicht.
    Sie sah aus wie immer, denn sie war nicht mal älter geworden.
    Verdammt zur ewigen Jugend?
    Ich wusste es nicht, ich wünschte ihr es nicht, aber ich konnte die Verhältnisse in Avalon auch nicht mit denen in unserer Welt gleichsetzen.
    »Denkt nicht mehr so stark an sie. Es geht ihnen gut. Sie werden bestimmt wieder zurückkehren, wenn sie können…«
    Mit diesen orakelhaften Worten verabschiedete sich

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