0784 - Avalons Geistergräber
würde mich interessieren, wie es dazu gekommen ist, dass du wieder sehen kannst.«
»Das weiß ich nicht.«
»Bitte, ich…«
Der Abbé hob die Schultern. »Ich kann es dir nicht sagen, ich hatte es nur gespürt. Es kam so plötzlich über mich. Als ich das Innere dieser Szene betrat, fing es bereits an, denn da lichtete sich der schwarze Schleier schon. Er verwandelte sich in ein dünnes Grau, ich konnte bereits Umrisse erkennen, ahnte aber nicht, dass sich dieser Vorgang fortsetzen würde. Ich habe es nicht für möglich gehalten, weil ich einfach nicht so vermessen gewesen bin, dass mir ausgerechnet in diesem Land die Sehkraft zurückgegeben würde. Nein, das wollte ich auf keinen Fall unterschreiben, doch ich habe mich geirrt. Es ist geschehen, allmählich und intervallweise. Immer mehr schälte sich hervor, das Grau lichtete sich, ich sah plötzlich.« Er klammerte sich an Suko fest. »Kannst du das fassen? Ich konnte wieder sehen, sogar besser als zuvor!«
»Nein, das kann ich nicht begreifen.« Suko war ehrlich. Weshalb sollte er den Abbé belügen. Eine Erklärung hatte er nicht. Die konnte vielleicht von denen gegeben werden, die hier das Sagen hatten und die Kontrolle ausübten. Aber wer waren die?
Darauf wusste Suko auch keine Antwort. Er vermutete, dass es die geheimnisvollen Geister der Toten waren, die sich hierher an diesen Ort zurückgezogen hatten. Und es waren gerechte Geister, keine gefährlichen Dämonen, denn Avalon wusste genau, was es seinen Besuchern und auch Bewohnern schuldig war.
»Es ist das schönste Geschenk, das ich je in meinem Leben bekommen habe«, erklärte der Abbé. »Es ist einfach nur wunderbar. Ich fühle mich überglücklich.«
»Das sollst du auch.«
Bloch schaute Suko mit gerunzelter Stirn an. Dabei steckte er die Sonnenbrille in die Tasche seiner Kutte. »Deine Bemerkung hat für mich geklungen, als hättest du das Wort aber vergessen, um die Tatsachen zu relativieren.«
»Stimmt.«
»Dann sag es bitte.«
»Es ist uns beiden doch wohl klar, dass die Probleme dieselben geblieben sind. Du kannst sehen, ich kann sehen, doch wir haben noch keinen Weg gefunden, die Insel zu verlassen. Nach wie vor können wir uns fühlen wie Gefangene in einem goldenen Käfig. Oder siehst du die Tatsachen anders?«
»Ein wenig schon, aber das ist nicht objektiv, weil ich noch zu sehr unter dem Eindruck dieses unfassbaren Wunders stehe.«
»Wir müssen uns trotz allem etwas einfallen lassen.«
Der Abbé murmelte: »Du willst weg von hier?«
»Du nicht?«
Bloch hob die Schultern. »Ich kann es dir jetzt nicht einmal sagen. Ich stecke in einem Glücksgefühl, dass mir alles andere so unbedeutend erscheint. Ich habe mein Augenlicht zurückbekommen, und dieses Wunder muss ich erst einmal begreif en lernen. Ich denke auch über Erklärungen nach und komme dabei zu dem Schluss, dass es jemand gibt, der mir gegenüber sehr gut sein will. Ich möchte diesen Jemand finden, ich möchte mich bei ihm bedanken, denn das bin ich ihm einfach schuldig.«
Suko schaute in die rauchgrünen Augen des Abbés. »Da stimme ich dir zu. An deiner Stelle hätte ich nicht anders gehandelt. Trotzdem stellt sich die Frage: Was tun wir?«
»Ich weiß es nicht. Die anderen haben sich gezeigt, Suko. Wie ich dich kenne, möchtest du nicht auf sie warten – oder?«
»So ist es.«
»Gut, dann müssten wir etwas unternehmen. Ich bin noch immer der Meinung, dass wir hier das Zentrum der Insel erreicht haben. Wer immer uns geführt haben mag, wir sollten ihm dankbar sein, denn dieses Zentrum könnte noch einige seiner Geheimnisse preisgeben, finde ich.«
»Das ist möglich…«
»Es klang nicht überzeugend.«
»Ich bin nicht überzeugt, denn ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Ich habe keinen Hinweis, keinen Bezugspunkt. Ich weiß aber, dass es hier ein großes Geheimnis gibt, das auch uns umlagert, nur finde ich den Schlüssel nicht, um es zu lösen.«
Bloch nickte. »Ja, Suko, ich stimme dir zu. Wir können vorerst nichts tun.«
Der Inspektor schaute nachdenklich drein, was den Abbé misstrauisch machte. »Ist dir vielleicht etwas eingefallen? Denkst du über etwas Bestimmtes nach?«
»Du beobachtest sehr gut.«
»Was ist es?«
»Ich denke daran, dass du etwas aus deiner Welt mitgenommen hast, das uns möglicherweise hier sehr nützlich sein könnte. Wir haben es noch nicht eingesetzt, ich habe auch vergessen, dich daran zu erinnern, aber jetzt fällt es mir wieder ein. Weißt du auch
Weitere Kostenlose Bücher