0784 - Avalons Geistergräber
gelungen, den Tunnel zu entmystifizieren, wie ich hörte.«
»Na und?«
»Cheers.« Er hob sein Glas, ich das meine ebenfalls, und wir tranken den ersten Schluck. Er tat mir gut, und es tat mir auch gut, mit meinem alten Freund Bill Conolly an diesem düsteren Dezembertag reden zu können. Seine Frau Sheila hatte uns allein im Arbeitszimmer ihres Mannes zurückgelassen. Nicht dass sie gestört hätte, doch manchmal ist es besser, wenn Männer unter sich sind.
Bill setzte das Glas ab. »Das war eine Leistung nach all den Jahren des Vergessens.«
Ich hob die Schultern. »Templer-Mystik. Jedenfalls bin ich froh, dass ein gewisser John Mark Lomenius den Weg nach Avalon gefunden hat, im Gegensatz zu mir.«
Bill lächelte und spielte mit seinem Glas. »Es ist schon ungewöhnlich, dass es plötzlich diese Verbindungen gibt. Bist du wirklich davon überzeugt, dass Lomenius von dem letzten Großmeister Jaques de Moley zu seinem Nachfolger ernannt worden ist?«
»Ja, das bin ich. Er muss ihn zudem in Künste eingeweiht haben, vor denen wir nur den Hut ziehen können. Dieser Lomenius hat die Jahrhunderte überlebt. Stell dir das mal vor, und denke dann dar über nach, welches Wissen die Templer gehabt haben.«
»Vielleicht waren sie deshalb Kirche und Staat ein Dorn im Auge.«
»Unter anderem, denn man neidete ihnen auch ihr Vermögen.« Ich hob die Schultern. »Das ist aber nicht das Thema, Bill. Ich möchte nur, dass Suko und der Abbé wieder zurückkehren, dass sie Avalon endlich verlassen können.«
»Du bist dir auch sicher, dass sie dort sind?«
»Keine Frage.«
»Dann versuche es mit dem Sessel!«
Ich strich durch mein Haar. Genau da hakte es bei mir, denn das war das Problem. Der geheimnisvolle Knochen-Sessel gehörte mir, und ich wusste endlich, wer dieses Skelett, aus dem sich der Sessel geformt hatte, als Mensch gewesen war. Der letzte Großmeister der Templer, eben Jaques de Moley. Er war auf der Isle de Cité in Paris hingerichtet worden, er war auch im Feuer verbrannt, nur eben sein Skelett nicht. Das mussten seine noch vorhandenen Getreuen heimlich zur Seite geschafft haben, und daraus war – aus welchen Gründen auch immer – dieser Sessel entstanden, der mir und auch anderen eine Reise in die Mystifikation Avalon ermöglichte. Dennoch hatte ich davon noch keinen direkten Gebrauch gemacht. Zwar fürchtete ich mich nicht so direkt, dafür gab es andere Probleme.
War ich einmal in Avalon, so würde es verdammt schwer werden, das Land wieder zu verlassen. Es reichte mir aus, dass sich Suko und der Abbé dort aufhielten. Ich wurde hier gebraucht und wollte in meiner Welt und in meiner Zeit versuchen, zwischen den beiden Reichen gewisse Fäden und Verbindungen zu knüpfen.
»Nicht?«, fragte Bill.
Ich erklärte ihm den Grund.
Der Reporter nickte. »Ja, das kann ich verstehen.« Er strich mit der flachen Hand über den Schreibtisch. »Aber du steckst in einer Zwickmühle, John. Was ist, wenn Suko und der Abbé in drei oder vier Wochen noch immer nicht zurück sind?«
»Dann sehe ich nicht gut aus.«
»Eben, mein Lieber, dann musst du nämlich.«
»Ja, ja, aber später.« Ich lehnte mich zurück. »Weißt du, Bill, ich brauche einfach mal etwas Ruhe, und da ist euer Haus der richtige Ort. Es heißt nicht, dass ich mich hinlegen und schlafen will, manchmal bringt auch ein Gespräch die richtige Entspannung, und die will ich haben. Ich kann nicht ständig unter dieser Hochspannung stehen, ich muss mal mit einem Freund sprechen und neue Wege ausloten.«
»Du stößt bei mir auf keine tauben Ohren. Das Thema sollten wir dennoch nicht außer Acht lassen.«
Er streckte die Beine aus und schaukelte auf dem Stuhl zurück.
»Da du den Sessel ja außer acht lassen willst, wofür ich auch ein gewisses Verständnis aufbringe, wie wäre es denn, wenn du einfach den anderen Weg einschlägst.«
»Glastonbury?«
»Ja, Englands Jerusalem. Der Weg in die anderen Welten und Zeiten, hin zu Avalon.«
»Daran habe ich auch gedacht.«
»Wirst du es tun?«
»Ich denke schon.«
In Bills Augen blitzte es auf. »Wunderbar, John, hervorragend. Und du nimmst mich als deine Rückendeckung mit – einverstanden?«
»Wegen mir kannst du mitfahren, aber was ist mit Sheila? Ich hörte vorhin, dass sie dich, so kurz vor Weihnachten, ziemlich eingespannt hat. Sie will Geschenke kaufen, du sollst mitgehen, ihr wolltet euch einen neuen Fernseher zulegen und…«
»Ahhh… das ist doch alles zweitrangig. Wir sind keine Kinder
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