0786 - Angst vor der Hexe
sondern eine Stiege, die am Rand des Speichers in die Tiefe führte.
Sie endete auf einem Gang.
Ich hatte genug gesehen und deckte den hellen Lichtschein der Lampe mit dem Taschentuch ab. Die Enden verknotete ich um den Arm der Lampe. Ich machte mich auf den Weg. Sehr vorsichtig, so leise wie möglich. Die Trittbretter der Stiege waren weich. Bei jeder Berührung schienen sie erst zu schwanken, um dann durchzubrechen, aber sie hielten. Und der Gestank verdichtete sich.
Unangefochten erreichte ich den Flur. Die Holzbohlen gaben mir den nötigen Halt. Auch sie waren schmutzig. Im schwachen Schein schimmerte der dunkle Schmier.
Zimmer gab es hier oben auch.
Ich zählte drei Türen.
Geschlossen waren sie nicht. Spaltbreit standen sie offen. Ich überlegte, ob ich die Zimmer durchsuchen sollte, als ich von unten her eine Stimme vernahm.
Hell klang sie.
Eine junge Stimme.
Die eines Kindes!
Ich hatte für einen winzigen Moment den Eindruck, auf der Stelle einzufrieren. So schnell wie hier war mir selten ein Schauer über den Rücken geflossen, denn die Stimme hatte sich auf keinen Fall glücklich angehört, sondern angstvoll.
Ich riss das Taschentuch von der Lampe, wollte nach vorn laufen, wo eine Treppe hinabführte, als plötzlich die drei Türen gemeinsam aufschwangen.
Nicht Geister hatten sie geöffnet, sondern andere Wesen.
Schakale!
***
Oleg war an die Klappe des breiten Backofens getreten. Er hielt den Griff umfasst und zerrte sie mit einer Bewegung auf.
Fauchende Feuerteufel schienen in das Zimmer zu springen. Eine immense Glut, der Teufel hatte seinen Rachen aufgerissen, um das Höllenfeuer zu speien, und beide Kinder zuckten auf ihren Stühlen zurück, obwohl sie gefesselt waren.
Das Feuer im Ofen breitete seinen glühenden Schein im Zimmer aus, und es legte auch einen Schleier über die Gesichter der Menschen.
Die Köpfe waren zu Feuermasken geworden, auch beide Kinder wurden von der Glut erfasst. Sie schauten sich an. Amy und Davy weinten, selbst ihre Tränen sahen aus wie rötliche Tropfen. Sie sahen keine Chance mehr, dem Tod zu entwischen, aber sie konnten es beide noch nicht glauben.
Aber die beiden Alten kannten kein Pardon. Wieder rieb Olinka ihre Handflächen gegeneinander. In ihren Pupillen tanzte der Widerschein der Flammen. Die Lippen zuckten, als sie böse lächelte.
Sie winkte ihrem Helfer.
Oleg nickte. Er verließ seinen Platz in der Nähe des Ofens. »Soll ich den Jungen packen?«
»Ja…«
Davy zitterte, als er das Wort hörte. So hatte jemand ein Todesurteil gesprochen, und die Hände des Alten streckten sich ihm entgegen.
Davy war erstarrt.
Die Hitze des Ofens spürte er nicht mehr. Wie ein feines Gewebe kroch die Angst vor dem Sterben in ihm hoch.
Die Hände packten zu.
Die Finger waren hart wie Hölzer. Sie gruben sich in die Schultern des gefesselten Jungen, der für einen Moment starr auf dem Stuhl hockte.
Er konnte sich einfach nicht mehr bewegen. Das alles hatte keinen Sinn mehr, und als er in die Höhe gerissen wurde, da hörte er Amys Wimmern.
Der Bann brach.
Die Hände waren gefesselt, seine Beine nicht. Plötzlich trat er zu.
Einmal, zweimal, auch ein drittes Mal, und er erwischte dabei die Schienbeine des Alten.
Der fluchte erst beim dritten Treffer. Er ließ den Jungen los und wich zurück.
Davy trat den Stuhl zur Seite. Er wollte sich trotz der Fesseln noch einmal auf den Mann stürzen, als ihn ein Schlag im Gesicht erwischte. Der Treffer war überraschend gekommen. Die Hexe, die hinter ihm gestanden hatte, war so schnell gewesen, und ihre Klaue hatte sich angefühlt wie ein feuchtes Tuch. Vom Nacken her hatte sie sich praktisch um das Gesicht des Jungen gewickelt, die Wucht schleuderte ihn zur Seite. Er stolperte bis an den Kamin, wo er sich zum Glück fangen konnte.
Als er sich wieder herumdrehte, hatte sich die Lage verändert. In den Augen des Alten schimmerte die Wut. Er hatte nach einer Eisenstange gegriffen. Davy starrte auf seine Schwester, weil er wissen wollte, was mit ihr geschah.
Olinka hielt sie fest.
Sie hatte sich hinter dem Mädchen aufgebaut und ihren rechten Arm wie eine Schlange um den Hals geschlungen. Er wollte nicht in das Gesicht seiner Schwester schauen, es war für ihn einfach zu schlimm, dafür starrte er den langsam auf ihn zukommenden Alten an, der noch immer mit seiner Stange wippte.
Davy bibberte vor Angst. In diesem Augenblick kam ihm voll zu Bewusstsein, in welcher Gefahr er steckte. Das Glutauge des Ofens, die
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