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0786 - Ort ohne Wiederkehr

0786 - Ort ohne Wiederkehr

Titel: 0786 - Ort ohne Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
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sich selbst beziehungsweise ihrem Schicksal überlassen, während er sich wieder seiner eigentlichen Sache zuwandte.
    Sein Blick schweifte über das magische Abbild der Hölle, einem Diorama mit zahllosen Ebenen ähnlich, das er erschaffen hatte und das ihm die Ereignisse zeigte, die in der Hölle vonstatten gingen. Als schwebe er wie ein titanischer, unsichtbarer Gott über den Schwefelklüften selbst.
    Ein Vergleich, der, wie er fand, gar nicht so weit hergeholt war…
    ***
    Noch ehe er es mit eigenen Augen sah, spürte Zamorra schon, wie das Leben um ihn her wieder Einzug hielt.
    Wobei, »Einzug halten« war nicht ganz richtig - vielmehr war dieses Leben schlagartig da, erfüllte die Leere des Dorfes mit etwas, das Zamorra fühlen konnte wie leichte Elektrizität, die ihm ein Kribbeln auf der Haut verursachte.
    Und ebenso übergangslos befand sich das Mädchen nicht mehr in seinen Armen, sondern lief davon, zu einer Gruppe von Kindern, die mit Murmeln spielten. Zamorra konnte das Kläcken der gläsernen Kügelchen hören - genau wie die Stimmen der Menschen, die mit einem Mal um ihn her waren und alltäglichen Verrichtungen nachgingen. Von irgendwoher drang das Gackern von Hühnern zu ihm, ein Schaf blökte, und in irgendeiner Seitengasse knarrte ein Fuhrwerk.
    Von ihm selbst indes nahm niemand Notiz. Obwohl er doch auffallen musste, zum einen durch seine Kleidung, die sich von der der Dörfler unterschied, und zum anderen war er ein Fremder. Und Fremde fielen immer auf in einem kleinen Ort wie diesem, ganz gleich, wo auf der Welt.
    Ihm hingegen fiel etwas auf. Aber es schockierte ihn nicht wirklich. Fast hatte er ja damit gerechnet…
    Er kannte einige der Menschen, die er jetzt lebend ringsum sah. Das hieß, er erkannte sie wieder.
    Denn eben noch, vor dem Auftauchen des Dämons oder was es auch war, auf das Merlins Stern reagiert hatte, waren diese Menschen tot gewesen. Zamorra hatte sie mit eigenen Augen in ihrem Blut liegen sehen, gestorben an schrecklichen Verletzungen.
    Demnach schien die Theorie, die er sich zuvor zurechtgelegt hatte, zu stimmen: Die Ereignisse hier liefen für ihn in der Tat rückwärts ab, und nun war ein weiterer solcher Schritt in die Vergangenheit erfolgt. Das Massaker lag von diesem Zeitpunkt aus gesehen in der Zukunft; wie weit in der Zukunft wusste er allerdings nicht.
    Was auch nicht so wichtig war. Viel wichtiger war nämlich, dass er jetzt möglicherweise die Chance hatte, das Morden zu verhindern!
    Nach dem Zwischenfall mit dem Dämon, den das Amulett in die Flucht geschlagen hatte, bezweifelte Zamorra nicht mehr, dass diese Höllenkreatur etwas mit jenem Blutbad zu tun hatte, dem mehr als die Hälfte der Bewohner dieses Dorfes zum Opfer gefallen war.
    Wenn es ihm also gelang, dieses Wesen rechtzeitig auszuschalten, konnte er das entsetzliche Geschehen wahrscheinlich verhindern.
    Welchen Einfluss das auf die Zukunft haben würde, darüber verbat Zamorra sich im Moment nachzudenken. Darum konnte er sich gegebenenfalls später noch kümmern. Es wäre nicht das erste Mal, dass er den Zeitfluss korrigieren musste. Das war zwar immer ein schwieriges und auch höchst gefährliches Unterfangen, aber Menschenleben, so viele noch dazu, wogen schwerer als alle Bedenken und möglichen Zeitparadoxa.
    Und vielleicht, überlegte er, ist es ja so bestimmt, dass ich diese Menschen rette. Vielleicht hat das Dorf mich gesucht und gefunden, damit ich einen wie auch immer gearteten Fluch von ihm nehme…
    Das konnte er sich durchaus vorstellen. Das Dorf mochte irgendwie aus der Zeit herausgelöst worden sein und war vielleicht wie auf einem Nebengleis der Zeit in die Zukunft beziehungsweise seine, Zamorras, Gegenwart gedriftet, wo es jemandem gab, der diesen Zustand korrigieren und das Dorf wieder auf die Hauptschiene zurücksetzen konnte.
    In den Ohren eines jeden anderen hätte dieser Gedanke natürlich absurd geklungen, doch Zamorra hatte schon weitaus Abwegigeres erlebt…
    Aber alles Überlegen half im Augenblick weder ihm noch dem Dorf und seinen Einwohnern weiter.
    Er musste den Dämon finden.
    Befand er sich bereits im Dorf? Versteckte er sich womöglich unter den Menschen?
    Ein Griff ans Amulett beantwortete Zamorra zumindest eine dieser Fragen.
    Die Silberscheibe war warm. Das hieß, sie nahm eine schwarzmagische Präsenz wahr.
    Zamorra hakte das Amulett von der Kette. Es konnte ihm helfen, den Dämon aufzuspüren. Er wollte es wie einen magischen Geigerzähler einsetzen, der ihm zeigen

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