0787 - Das Medium
Toastschnitte wieder hoch, all dies kannte Melda, aber in den nächsten Sekunden wurde sie überrascht.
Ihr Mann aß nicht mehr.
Seine Hand sank nach unten. Die Finger verloren ihre Kraft, und die Toastschnitte rutschte ihm aus der Hand und fiel auf den Teller, wo sie liegenblieb und nicht mehr beachtet wurde. Er saugte die Luft ein, er runzelte die Augenbrauen, und Melda hörte auch das leise Stöhnen, das ihr entgegenwehte.
»Hast du was?«, fragte sie.
Wayne gab keine Antwort. Die Zeitung raschelte leise, weil das Papier ebenso zitterte wie seine Hand.
Das hatte Melda Aldrin bei ihrem Mann selten erlebt. Er hatte die Zeitung jetzt sinken lassen, sie konnte sein Gesicht und auch den Schweiß sehen, der sich darauf verteilt hatte. Zudem war Wayne unwahrscheinlich blass geworden.
»Was ist denn los, mein Gott!«
Aldrin schaute sie an. Er antwortete, ohne auf ihre Frage einzugehen. »Das gibt es nicht«, flüsterte er, »das kann ich nicht begreifen, da komme ich nicht mit. Das ist unwahrscheinlich, aber es hat irgendwo so kommen müssen.«
»Was hat denn so kommen müssen, Wayne?«
Er lächelte, ohne zu lächeln. Es war seltsam, denn seine Lippen zuckten nur. »Ich habe es geahnt, Melda, ich wusste, dass es sie gibt, aber mir hat niemand geglaubt, selbst du bist skeptisch gewesen. Jetzt habe ich den Beweis.«
»Welchen, Wayne?«
»Die Frau!«
Melda zwinkerte mit den Augen. Sie hatte zwar etwas erfahren, doch immer noch nicht genug. »Von welch einer Frau sprichst du eigentlich, verflucht? Warum drückst du dich nicht deutlicher aus?«
»Die aus dem Flugzeug. Die überlebt hat. Die aus den Trümmern gestiegen ist. Die mich berührte. Ich habe sie gesehen, ich habe es den Leuten immer wieder gesagt und bin ausgelacht worden, wenn auch nicht so offen. Aber ich bin mir sicher gewesen, und nun habe ich auch den Beweis dafür.«
»Aber ich nicht. Was ist mit der Frau?«
»Sie ist… ich habe sie hier in der Zeitung gesehen. Da ist ihr Bild abgedruckt worden. Ich erkenne sie genau, das ist sie, es gibt keinen Zweifel.«
Melda sagte nichts. Sie hoffte allerdings, dass wieder Leben in ihren Mann zurückkehrte, doch er tat zunächst nichts und blieb nur starr auf seinem Stuhl sitzen. Deshalb stand Melda auf und holte sich die Zeitung. Sie sah das Bild der Frau, sie las die Überschrift, wo in fetten Buchstaben stand: WER KENNT DIESE PERSON?
Es wurde nicht geschrieben, weshalb sie gesucht wurde, es war dafür eine Telefonnummer angegeben worden, und zwar die von Scotland Yard. Deshalb konnte die Person nur wegen eines Verbrechens gesucht werden. Melda schaute auf das Foto. Es war nicht besonders scharf, und die Frau befand sich darauf auch nicht als Einzelperson, aber sie stand doch sichtbar im Mittelpunkt, und die anderen Menschen verschwammen um sie herum. Eine Frau mit langen Haaren, einem recht hübschen Gesicht, ihr jedoch völlig unbekannt.
Melda ließ die Zeitung sinken. Über den Tisch hinweg schaute sie ihren Mann an. »Und du hast dich nicht geirrt?«, fragte sie mit leiser Stimme. »Du bist dir ganz sicher?«
»Ja, ich bin mir sicher.«
Sie lächelte, obwohl ihr nicht danach zumute war. »Aber diese Person hier wird wegen eines Verbrechens gesucht, nehme ich an. Wer sie kennt, der soll sich an Scotland Yard wenden. Und jetzt?«
Der Mann seufzte auf. Er hob die rechte Hand und strich damit über die breite Stirn, »Es kommt alles wieder zurück, Melda«, flüsterte er. »All das Grauen, die schrecklichen Bilder. Ich bin zwar froh, dass man die letzten Trümmer abgeräumt hat, aber trotzdem sehe ich das Bild immer wieder vor mir. Heute deutlicher denn je. Ich… ich muss etwas tun, Melda, ja, das muss ich.«
»Dann rufe beim Yard an.«
Er überlegte, fing wieder an zu essen, was Melda als gutes Zeichen ansah. »Soll ich?«
»Ja.«
»Und dann?«
»Mein Gott, das kann ich dir auch nicht sagen, was dann geschieht. Es wird bestimmt jemand kommen, aber du bist der Mann, der diese Person kennt, falls du dich nicht geirrt hast.«
»Das habe ich nicht!«
»Eben, Wayne, dann rufe an. Tu deine Pflicht, denn dieser Artikel ist so etwas wie ein Wink des Schicksals. Du musst dich da einhängen. Allein schon wegen dir selbst. Du hast in der letzten Zeit Schlimmes durchgemacht, bist nur mehr ein Schatten deiner Selbst. Freunde, die dich lange nicht gesehen haben, würden dich kaum erkennen…«
»Ja, ja, ja, ich weiß schon.« Er stand auf. Er warf dabei die Serviette auf den Teller. Beides hätte er
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