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079 - Der Körperdieb

079 - Der Körperdieb

Titel: 079 - Der Körperdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.F.Morland
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wir ihn finden konnten.
    Und natürlich hatten wir auch nicht die leiseste Ahnung, wie er jetzt aussah.
    Der Gedanke daran, daß vielleicht schon wieder ein Mensch sein Leben verloren hatte, damit sich Kanutto in ihm verstecken konnte, jagte mir kalte Schauer über den Rücken.
    Mr. Silver und Roxane suchten nach weiteren Spuren, die Kanutto eventuell hinterlassen hatte. Der Ex-Dämon tastete die Betonwand, auf die die Glasspuren zugeführt hatten, magisch ab, denn theoretisch war es auch möglich, daß sich der Exekutor der Hölle darin versteckt hatte.
    Er fand nichts. »Kanutto ist nicht hier«, sagte er. »Nicht einmal in der Nähe.«
    »Mir würde es besser gefallen, wenn du mir nicht sagtest, wo er nicht ist«, knirschte ich.
    ***
    Der Gläserne tauchte am Ufer der Themse auf. Sein spiegelnder Körper war umhüllt von den Nebelschwaden, die vom Fluß hochstiegen. Manchmal hingen sie an ihm wie graue Leichentücher. Er war auf der Suche nach einem neuen Körper.
    Kein Problem für ihn, einen zu finden.
    Er hätte ihn sich schnell überall holen können. In der U-Bahn, in einem Restaurant, auf der Straße, in aller Öffentlichkeit. Niemand hätte ihn daran hindern können.
    Aber es sollte dabei kein Aufsehen geben. Niemand sollte wissen, in wessen Gestalt er sich verbarg.
    Da war ein Liebespärchen. Das Mädchen, rothaarig und hübsch, lehnte am rissigen Stamm eines Baumes. Ein junger Mann stand vor ihr. Er trug einen Trenchcoat, der offen war und in den auch das Mädchen eingehüllt war.
    So konnte niemand sehen, was die beiden machten.
    Der Atem der Rothaarigen ging sehr schnell. Sie hatte die Augen geschlossen und den Kopf in den Nacken gelegt. Ab und zu flüsterte sie dem jungen Mann zustimmende Worte ins Ohr, und ein verzücktes Lächeln umspielte ihren Mund.
    Jetzt hielt sie den Atem an, ein heftiges Zittern ging durch ihren Körper, und dann stieß sie einen langen, glücklichen Seufzer aus.
    Die beiden merkten nicht, was in ihrer Nähe geschah. Sie schwebten auf einer Wolke irgendwo in der unendlichen Weite des Alls, waren blind und taub und glücklich.
    Kanutto hätte es leicht gehabt, sie zu töten, aber sie waren zu zweit, und eine Leiche am Themseufer hätte nur Aufruhr bedeutet. So ließ er sie in Ruhe und ging weiter, ein unheimliches Phantom auf der Suche nach einem geeigneten Körper.
    Er fand ein geeignetes »Versteck« in Ted Long, einem unscheinbaren Penner. Ted saß auf einer Bank, in seinen alten Mantel gehüllt. Er rauchte eine selbstgedrehte Zigarette und beobachtete träge die dahinfließende Themse.
    Hinter ihm trat Kanutto aus dem Nebel.
    Ted Long hörte ihn nicht; er war mit seinen Gedanken weit weg. Als dann unter Kanuttos Fuß ein Zweig knackte, drehte sich Ted gelassen um.
    Er hatte ein schmales, bartstoppeliges Gesicht, kleine Augen, die eng beisammenstanden, und eine viel zu große Nase. In der Schule hatten sie ihn Geier genannt. Die Schule…
    Gott, wie lange lag das schon zurück. Was war inzwischen alles passiert.
    Seinen gesellschaftlichen Abstieg hatte kurioserweise ein Arzt auf dem Gewissen. Der Doktor erschütterte Ted damals mit einer Fehldiagnose: Krebs – unheilbar… Ted wollte es genau wissen. Wie lange noch? Höchstens vier Monate.
    Zuerst wollte sich Ted das Leben nehmen, um nicht auf das Ende warten zu müssen. Dann gab er seinen Job auf, tat nichts mehr, trank nur noch.
    Vier Monate lang war er permanent betrunken, aber das Ende kam nicht. Er lebte weiter, und er trank weiter, mußte raus aus seiner kleinen Wohnung, weil er die Miete nicht mehr bezahlen konnte, wurde zum Sozialfall und wurde zu dem, was er heute war.
    »Na, Sammy«, sagte Ted Long nun. »Hast du ‘n bißchen flüssige Nahrung für uns aufgetrie…?«
    Er sah Kanutto und brach mitten im Wort ab. Bis vor zehn Minuten hatte er hier mit Sammy Jackson gesessen, und sie hatten sich den Mund trockengeredet.
    Daraufhin hatte Sammy gesagt, er würde mal sehen, ob er etwas besorgen könne. Ted hatte geglaubt, sein Pennerkumpel wäre zurückgekommen.
    Als er den Gläsernen sah, war er, gelinde gesagt, von den Socken.
    »Mann!« stöhnte er überwältigt. »Mich hat’s. Ich bin übergeschnappt! Delirium tremens muß das sein… ‘n großer Mann aus Glas, der sich sogar bewegen kann… Irre. Wenn ich das Sammy erzähle, lacht er sich tot.«
    Kanutto blieb stehen.
    Ted Long grinste ihn an. Er hielt den Gläsernen für eine reine Einbildung. Long winkte dem Exekutor der Hölle.
    »Komm näher, Freund. Ich

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