079 - Die Abenteuerin
QuadratJane. Lord Claythorpe interessierte sich außerordentlich für dieses Thema und hörte Mrs. Wilberforce zu, die allerhand Theorien über die Person der Verbrecherin aufstellte.
»Früher oder später wird die Polizei sie doch verhaften«, sagte er. »In dem Punkt können Sie sicher sein.«
Francis schäumte über vor Lustigkeit. Joyce hatte ihn am Morgen unterbrochen, als er ihr von seinem romantischen Abenteuer erzählte, und nun bei Tisch stellte sich heraus, daß er darüber auch anderen gegenüber nicht geschwiegen hatte. Außerdem erzählte er, daß er ihren Trauring stets bei sich trage, er holte das kleine Etui heraus und zeigte den schmalen Platinreif. Aber auf Joyce machte das wenig Eindruck. Nachdem er lange über seinen guten Geschmack in der Wahl von Schmuckstücken gesprochen hatte, kam er auf andere Dinge.
Trotz allem gab es auch für Joyce während des Essens manches Interessante zu hören, denn immer wieder kehrte die Unterhaltung zur Quadrat-Jane zurück. Wie Joyce schon am Morgen ihrer Mutter gegenüber geäußert hatte, hegte sie eine gewisse Sympathie für diese junge Dame, weil sie verschiedenen Leuten geschadet hatte, die auch Joyce nicht leiden konnte.
Am Abend machte sich der liebesdurstige Francis auf den Weg, um seine unbekannte Verehrerin zu treffen, und kam daher auch etwas zu spät zum Essen nach Hause.
Er war noch ganz aufgeregt von seinem Erlebnis und mußte sofort alles erzählen, was sich zugetragen hatte.
»Hast du sie überhaupt wiedererkannt?« fragte Lord Claythorpe vorwurfsvoll.
»Nein, ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, denn sie trug einen dichten Schleier. Sie saß in einem Wagen und winkte mir. Ich stieg ein und hatte eine kurze Unterhaltung mit ihr, dann legte sie ihre Arme um meinen Hals, zog mich an sich und sagte: Ich kann es nicht mehr länger ertragen, Francis. Geh jetzt!«
»Das ist aber merkwürdig«, meinte Pastor Maggerley nachdenklich. »So etwas habe ich noch nicht gehört. Das arme Mädchen! Vielleicht wird sie nun den Rest ihres Lebens in Abgeschiedenheit von der Welt verbringen.«
»Es war nicht recht von dir, daß du das getan hast«, erklärte Lord Claythorpe scharf. »Eine junge Dame zu treffen, die du nicht kanntest! Francis, ich bin erstaunt über dich, besonders, da es der Vorabend deiner Hochzeit ist!«
Auf Pastor Maggerley hatte die Erzählung größeren Eindruck gemacht als auf alle anderen, und auf dem Heimweg überlegte er, ob er diesen Vorfall für eine spätere Predigt auswerten könnte.
Zu Hause wurde er von seiner Wirtschafterin empfangen.
»Schwester Agatha wartet auf Sie im Arbeitszimmer«, sagte sie mit leiser Stimme.
»Schwester Agatha? Ich kann mich nicht auf sie besinnen.«
Das war weiter nicht verwunderlich, denn es gab viele Schwestern bei den verschiedenen religiösen Gesellschaften, mit denen Pastor Maggerley zu tun hatte, und es wäre unmöglich gewesen, sich an alle Namen zu erinnern.
Er ging in sein Arbeitszimmer und wunderte sich, welche dringende Angelegenheit wohl eine Krankenschwester zu so ungewöhnlicher Abendstunde noch in sein Haus führen mochte. Das Licht brannte im Zimmer, aber Schwester Agatha war nicht dort.
Er rief die Wirtschafterin, und diese wunderte sich ebenso wie er.
»Aber ich habe sie doch hereingeführt, und ich war dauernd in der Diele! Sie konnte das Haus unmöglich verlassen, ohne daß ich es gemerkt hätte!«
»Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß sie nicht mehr hier ist. Ich fürchte, Mrs. Jenkins, Sie haben geträumt.«
Plötzlich kam Maggerley ein Gedanke. Er überprüfte das ganze Zimmer, aber dann war er beruhigt, denn nicht das geringste war entwendet worden. Schließlich dachte er nicht mehr an Schwester Agatha und ging zu Bett.
Die Hochzeit von Mr. Francis Claythorpe mit Miss Joyce Wilberforce war eins der großen gesellschaftlichen Ereignisse. Die große Säulenhalle vor dem Hauptportal von St. Giles wimmelte von Mitgliedern der Gesellschaft. Die Braut sah blaß aus, als sie mit ihrer Mutter zur Kirche kam. Am Portal wurde sie von dem etwas unglücklich aussehenden Bräutigam und Lord Claythorpe empfangen, der kein Hehl aus seiner guten Stimmung machte. Der heutige Tag war für ihn ein Höhepunkt, denn er brachte die Erfüllung eines lang gehegten Planes.
Auch der Brief auf grauem Papier, den er in der Tasche trug, konnte seine gute Laune nicht stören. Beim Frühstück hatte er das Schreiben erhalten, das die übliche Unterschrift der Quadrat-Jane zeigte. Die
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