0791 - Blutzwang
Kontakt zu Zamorra aufnehmen? Vielleicht musste er dem Professor erst den Kopf der Geisel vor die Füße werfen, damit der auf deZamorras Hilferufe einging. Ja, vielleicht war das ja der richtige Weg. Andererseits…
Das Denken fiel dem Vampir von Minute zu Minute schwerer. Er durfte jetzt nicht schon wieder einen dummen Fehler begehen.
Zunächst wollte er sich jedoch davon überzeugen, wie es seiner Gefangenen ging. Möglich, dass sie bei Zamorra mehr erreichen konnte. DeZamorra würde die Frau zu einem Telefonat mit dem Franzosen zwingen. Eine bessere Idee wollte dem angeschlagenen Vampir einfach nicht kommen.
Als er seine unbeherrscht zitternde Hand nach der Klinke ausstrecken wollte, öffnete sich die Tür vor ihm plötzlich. Mit einem kräftigen Ruck flog ihm das Türblatt entgegen. Verblüfft machte der Vampir einen Schritt nach hinten.
Für Sekunden standen sich der Entführer und seine Geisel regungslos und stumm gegenüber.
Die vor Entsetzen und Furcht weit aufgerissenen Augen der jungen Frau bohrten ihren Blick in das von Wahnsinn gekennzeichnete Gesicht ihres Peinigers. Aus… alle Anstrengungen waren umsonst und sinnlos gewesen.
Und im Verstand des Clanführers der spanischen Vampire riss der letzte dünne Verbindungsfaden zwischen blanker Gier und Vernunft. Mit beiden Händen stieß er seine Gefangene zurück in den Gang und schloss die Tür hinter sich.
Sie war so schön. Sie war nackt… und unzählige kleine Wunden an ihrem makellosen Körper bluteten.
Blut - Trinken… endlich wieder trinken! DeZamorra schmeckte den süßen Saft bereits auf der Zunge. Sein gesamtes Denken, seine Pläne mit dieser Frau - Sarkana, Zamorra… das alles drängte er weit in den Hintergrund. Seine Augen sahen nur noch das Opfer, das sich wimmernd mit dem Rücken gegen die kahle Wand drückte.
Ein Schrei der Hoffnungslosigkeit hallte durch die hohen Gänge, als sich die Zähne des Vampirs in die Halsschlagader der jungen Frau bohrten. Er brach sich hohl an Wänden und Decke, wurde zu einem Wimmern, das langsam erstarb.
Befriedigung… Glücksgefühl - Wärme durchdrang den ausgemergelten Körper des Vampirs, döch sie konnte den Rausch nicht beenden, in dem er längst gefangen war. Mehr! Immer mehr! Mit einer wilden Bewegung riss er seinen Kopf zur Seite und zerfetzte die Lebensader seines Opfers.
Was tat er da?
DeZamorra hatte jegliche Kontrolle über sich verloren.
Seine Krallenfinger bohrten sich in das Fleisch der Schönen. Tiefer und immer tiefer. Immer wieder biss er zu. Die gewaltige Körperkraft, die nun wieder in ihm erwachte, ließ sich nicht kontrollieren. Minutenlang ließ er seinem Wahn freien Lauf.
Irgendwann sank der Vampir erschöpft und befriedigt zu Boden. Nur quälend langsam rückte die Realität wieder in die erste Linie seines Bewusstseins. Und dann erkannte er, was er getan hatte.
Was da vor ihm lag, war kaum noch als menschliches Wesen zu erkennen. Er hatte sein Opfer regelrecht zerfetzt. Sein Unterpfand, seine vielleicht letzte Chance, sich die Hilfe von Professor Zamorra zu erzwingen, war zwischen seinen Klauen zu einem Haufen zerfetztem Fleisch geworden!
Die Erkenntnis lähmte den Vampir. Seine Unbeherrschtheit, seine maßlose Gier hatten sein Schicksal mit ziemlicher Sicherheit besiegelt.
Ohne sich zu wehren, ließ deZamorra sich von kräftigen Händen auf die Füße zerren. Es waren drei oder vier von Sarkanas Schergen, die ihm wohl schon lange gefolgt waren. Sie waren schweigsam. Sie mussten auch keine Erklärungen abgeben, denn der Vampir wusste genau, wohin sie ihn bringen wollten.
Der größte von ihnen bestätigte deZamorras Ahnung mit einem beiläufigen Satz.
»Dein König, unser aller Herr, wartet auf dich…«
Willenlos folgte deZamorra seinen Häschern.
Den zerfetzten Körper der jungen Römerin Loretta ließen sie achtlos zurück. Ihr Schicksal war nicht von Belang für Sarkana, den Herrn aller Vampire.
***
Gryf ap Llandrysgryf lief seinem sicheren Tod entgegen.
Selbst wenn er die Gefahr geahnt hätte, die auf ihn wartete, wäre er nicht umgekehrt. Sein ganzes Sinnen war auf die endgültige Vernichtung Sarkanas ausgerichtet. Wenn er dabei selbst in Lebensgefahr geraten sollte, dann nahm er das voll und ganz in Kauf.
Es waren seine Druidenkräfte, seine Erfahrung und sein Gespür, die ihm in ihrer Gesamtheit den Weg wiesen. Je näher er dem Dämon kam, um so präziser konnte er ihn lokalisieren. Zwei, drei zeitlose Sprünge brachten Gryf seinem Ziel sehr nahe.
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