0791 - Blutzwang
Problem. Zamorra musste keine Magie einsetzen, denn der Südstaatler hätte auch als Profieinbrecher locker seinen Lebensunterhalt verdienen können. Es gab eben Talente, die man zwar nicht unbedingt förderte, die aber ab und an sehr nützlich sein konnten.
Der Gang hinter der Tür war nur schwach beleuchtet. Zamorra und Nicole sicherten nach allen Seiten hin ab. Nur Khira Stolt ging unbekümmert voran, denn ihr war klar, dass hier kein Vampir mehr auf sie lauerte.
»Spüren Sie ihre Aura auch?« Die Frage war an Zamorra gegangen, doch es war Nicole, die der Biologin antwortete.
»Ich rieche ihren Gestank. Okay, das ist sicher nicht logisch zu erklären, aber ich empfinde das so.« Zamorra warf einen schnellen Seitenblick zu seiner Lebensgefährtin. Sie band der Finnin natürlich nicht auf die Nase, dass sie einmal selbst mit Schwarzen Blut infiziert worden war und seither dunkle Magie spüren konnte. Doch auch Zamorra empfand da ganz ähnlich - hier stank es förmlich nach Blutsaugern.
»Shit - das darf doch nicht wahr sein!« Artimus van Zant hatte den blutigen Frauenkörper als erster entdeckt.
Zamorra und Nicole waren solche und ähnliche Anblicke gewöhnt - gewöhnen im Sinne des Wortes wollten sie sich daran jedoch nie. Es musste doch irgendwann einmal ein Ende mit diesen Grausamkeiten haben. Doch das waren Wünsche, die sich wahrscheinlich nie wirklich erfüllen lassen konnten.
Khira Stolt ging neben dem Leichnam in die Knie. »Er hat sich dem Blutrausch ergeben. Ich weiß nicht, wer das getan hat, doch im Allgemeinen haben Vampire sich besser unter Kontrolle.«
Nicole suchte nach Anhaltspunkten am Körper der Toten, doch wie und woran hätte sie die Identität festmachen sollen? So gut kannte sie Carlotta nun auch nicht, dass sie eindeutige Merkmale hätte ausmachen können. Zudem war ein Großteil der Haut der Toten von Schürfwunden übersät.
Zamorra löste Merlins Stern von der Kette, an der er das Amulett um den Hals trug. Kurz nickte er Nicole zu. Es gab nur einen Weg, um Gewissheit zu erlangen -die Zeitschau. Merlins Stern bot dem Parapsychologen die Möglichkeit, sich die Ereignisse in der Umgebung des Amuletts bis zu vierundzwanzig Stunden in der Vergangenheit anzusehen. Das jedoch war bereits die absolute Obergrenze dessen, was noch machbar war. Der ganze Prozess war enorm kräfteraubend, je tiefer man in der Zeit zurück schauen wollte.
Zamorra versetzte sich in Halbtrance, um den Ablauf zu starten. Allzu weit musste er nicht zurückgehen, denn das Gemetzel hier war sicher nicht länger als sechzig Minuten her. Verblüfft und interessiert betrachteten Khira Stolt und Artimus van Zant den Minibildschirm, der sich unvermittelt im Zentrum des Amuletts bildete.
Sekundenlang war nichts als der im Halbdunkel liegende Gang zu sehen, doch dann kam Leben in die Szenerie. Eine nackte Frau torkelte ins Bild, deren Körper verdreckt und mit Schürfwunden übersät war. Die dunklen Haare, die Figur, ihre ganze Art sich zu bewegen - all das erinnerte Zamorra und Nicole sofort an Carlotta. Das Bild war jedoch nicht deutlich genug, um jeden Zweifel auszuschließen.
Die Frau näherte sich der Ausgangstür. Es schien, als nähme sie alle verbliebenen Kraftreserven zusammen, um von hier verschwinden zu können.
»Carlotta…« Nicole war beinahe sicher, die Freundin jetzt doch erkannt zu haben.
Doch dann leuchtete die flackernde Neonlampe das Gesicht der Gehetzten deutlich aus. Die Ähnlichkeit war verblüffend, und jeder, der die Geliebte Ted Ewigks nicht genauer kannte, wäre wahrscheinlich dem Irrtum erlegen. Doch das war eindeutig nicht die vermisste Römerin!
Nicole stieß einen erleichterten Seufzer aus, für den sie sich im selben Moment bereits schämte, denn dieses Mädchen war einen schrecklichen Tod gestorben. Und das nur, weil sie einer anderen Frau so sehr ähnelte.
Der Minibildschirm zeigte, wie deZamorra in den Gang trat und die Frau brutal gegen die Wand schleuderte. In den Augen des Vampirs lag Wahnsinn… und ungestillte Gier nach Blut.
Zamorra beendete die Zeitschau. Mehr musste und wollte er nicht sehen. Das Ergebnis von deZamorras Wahn lag direkt vor ihnen.
Blanke Wut schäumte in Zamorra hoch. Dieser Irre musste gestoppt werden.
Auch wenn die Zeitschau nur kurz gedauert hatte, fühlte der Parapsychologe sich erschöpft.
»Sie hätten nicht abbrechen sollen, Professor.« Khira Stolt konnte den Blick nicht von der Leiche nehmen. Sie wusste nicht worum es hier genau ging, doch
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