0791 - Diondra - einfach mörderisch
dass er sie nicht sehen konnte.
Ein tanzender Leib, auch ein Leib ohne Beine. Ein wehendes Gespenst, das an der Scheibe blieb, sie nicht zerstörte, aber dafür sorgte, dass eine bissige Kälte in das Schlafzimmer der Palmers drang, die der Professor nicht einstufen konnte.
Und dann war sie weg!
Palmer wollte es nicht glauben. Wieder wischte er über seine Augen, doch was er auch tat, dieses seltsame Wesen kehrte nicht mehr zurück.
Es war verschwunden, nein, es hatte sich aufgelöst. Diesen Begriff akzeptierte der Wissenschaftler.
Er blieb aufrecht im Bett sitzen und wusste nicht, was geschehen war. Er versuchte, seine Gedanken unter Kontrolle zu bringen, leider gelang ihm auch dies nicht richtig. Sie wollten immer wieder wandern, sie irrten davon, und eine logische Folge brachte er nicht mehr in diesen Wirrwarr hinein.
Wie lange er aufrecht im Bett gesessen hatte, das wusste er nicht.
Robert schreckte nur zusammen, als ihn seine Frau anstieß und mit einer Stimme sprach, die kaum verschlafen wirkte. »Es ist so kalt hier, Rob. Findest du nicht auch?«
Er nickte, ohne allerdings mit dieser Geste überzeugen zu wollen.
Neben ihm bewegte sich Rebecca. Das Kissen raschelte, als sie es zusammendrückte und in ihren Rücken legte. »Was war los, Rob? Was hast du? Warum ist es hier so kalt…?«
Er hob die Schultern.
Sie rüttelte ihn. »He, Robert, bist du überhaupt noch anwesend, oder hast du dich bereits geistig verabschiedet? Was ist los mit dir? Ich möchte gern mit dir reden.«
»Es ist kalt«, sagte er.
»Ja, das merke ich.«
»Ich habe nicht geschlafen, Rebecca.«
»Und?«
Er redete mit tonloser Stimme weiter. »Ich konnte es einfach nicht, verstehst du? Meine Gedanken – sie… sie waren nicht mehr unter Kontrolle zu bekommen. Sie flogen einfach weg. Sie segelten dahin. Ich lag im Bett, und plötzlich hörte ich etwas.«
»Was hörtest du denn?«
»Nur mich…«
Jetzt musste sie lachen. »Robby, du spinnst.« Sie küsste ihn rasch auf die linke Wange. »Oder hat es etwas mit Diondra zu tun gehabt? Auch die Kälte?«
»Ja, ja«, sagte er leise. Es war mehr ein Hauch. »Du hast Recht, es war Diondra.«
»An die hast du denken müssen?«
Seine Lippen bewegten sich, ohne jedoch ein Lächeln zu zeigen.
»Nein, meine Liebe. Ich habe nicht nur an diese Frau denken müssen. Oder ich habe auch an sie gedacht, aber es ist etwas anderes gewesen. Da kam die Kälte, und dann… dann sah ich sie.«
Rebecca schwieg für eine Weile. »Du hast sie tatsächlich gesehen?«, erkundigte sie sich mit einem lauernden Unterton in der Stimme. »Du hast sie…«
»Ja, sie ist mir erschienen. Zuerst kam die Kälte, dann habe ich sie vor dem Fenster gesehen.« Er schüttelte den Kopf. »Auch ich kann es nicht mehr begreifen. Bei mir ist ein Weltbild zusammengebrochen. Ich habe gedacht, dass…«
»Was hast du gedacht, Rob?«
Er gab eine völlig andere Antwort. »Sie war nackt, und ihr Körper war voller blutiger Wunden. Aber es war nicht ihre Haut, nein, das glaube ich nicht. Sie war so anders. Sie war bleich, blau, und sie schimmerte wie Metall. Um ihre Augen herum lagen tiefschwarze Schatten, dafür glänzte der Mund, als wären die Lippen ebenfalls mit Blut beschmiert worden. Ich… ich bin da nicht mehr zurechtgekommen, Rebecca, ich kann es einfach nicht begreifen.«
»Ja, das glaube ich.«
Er tastete nach ihrer Hand und fühlte sich besser, als seine Finger die warme Haut spürten. »Ich glaube mittlerweile, dass ich umdenken muss. Diondra ist nicht die Person, als die ich sie kennen gelernt habe. Sie ist eine völlig andere. Vielleicht gibt es sie gar nicht so, wie wir sie sehen.« Er hob die Schultern. »Es kann doch sein, dass wir ein Tor aufgestoßen haben, das uns in ganz andere Welten hineinführt. Auf jeden Fall habe ich mich nicht geirrt. Wenn du mich fragst, ob ich geträumt habe, dann muss ich dies verneinen.«
Rebecca stellte keine weiteren Fragen. Sie konnte ihren Mann sehr gut verstehen. Einem nüchternen Mathematiker war eine Welt eröffnet worden, an die er sonst nie geglaubt hätte. Er hätte sie in der Theorie auch nicht akzeptiert, wenn ihm nicht diese Beweise geliefert worden wären.
Sie hatte ihr Haar aufgelöst, mit einer Hand wühlte sie es auf und griff dann nach links, wo auf dem Nachttisch die Taschenlampe lag.
Palmer bekam die Bewegung mit. »Was hast du vor?«
»Mir ist da etwas aufgefallen.«
»Wo denn?«
»Am Fenster.« Zugleich schaltete sie die Lampe ein. Der blasse
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