0791 - Diondra - einfach mörderisch
davon, denn Menschen sahen normalerweise anders aus als diese Person.
Hinzu kam noch etwas. Das Schlafzimmer lag in der ersten Etage des Hauses, und draußen vor dem Fenster gab es weder einen Sims noch eine Mauer, auf der sich ein Mensch hätte bewegen und Halt finden können. Wer immer am Fenster vorbeiging, es war eigentlich unmöglich, und er hatte sich dieses Bild auch nicht eingebildet.
Die Gestalt passierte nicht die gesamte Breite der Scheibe. Etwa in der Mitte blieb sie stehen, sehr dicht am Glas, und sie schaute auch in den dunklen Raum. Palmer suchte verzweifelt nach einer Beschreibung, denn so sah ein Mensch nicht aus.
Oder doch?
Eine bleiche, bläulich und leicht metallisch schimmernde Haut, beinahe schon ein matter Spiegel. Ein nackter Körper, ein nacktes Gesicht?
Palmer konzentrierte sich auf das Gesicht, weil ihn eine bestimmte Ahnung überkommen hatte. Er hatte den Tag über und auch einen Teil der Nacht stets an Diondra gedacht, und er glaubte plötzlich, in der Gestalt vor dem Fenster Diondra zu erkennen.
War sie es, war sie es nicht?
Palmer hörte sich stöhnen. Er rieb noch einmal über seine Augen, als könnte er die Erscheinung dort deutlicher bekommen, aber das klappte nicht.
Sie blieb, wie sie war.
Ein bläulich schimmernder Körper mit einem genauso schimmernden Gesicht, fahlen Haaren, sehr dunkel umrandeten Augen und kräftig geschminkten Lippen.
Wies diese Gestalt Ähnlichkeit mit Diondra auf? Bildete er sich das nur ein?
Palmer wusste es nicht. Er wusste gar nichts mehr. Es war ihm alles so suspekt, er kam mit nichts mehr zurecht, denn für ihn war eine Welt zusammengebrochen.
Eine veränderte Diondra und doch irgendwo gleich.
Jetzt erst fielen ihm zwei weitere Beobachtungen auf. Die Person dort trug keine Kleidung. Sie war völlig nackt, doch auf eine besondere Art und Weise geschlechtslos. Darüber machte sich Robert Palmer keine Gedanken mehr, er konzentrierte seine Blicke auf die dunklen Flecken an Hals und Körper.
Das sah aus wie Blut…
Es brauchte kein Blut zu sein, aber er dachte an seine Visionen, da hatte es ja eine wichtige Rolle gespielt und war sogar zu einem Beweis geworden.
Der Professor hätte nie gedacht, so lange den Atem anhalten zu können. Erst als seine Lungen schon schmerzten, holte er wieder Luft und lauschte dem saugenden Geräusch.
Gleichzeitig geschah etwas mit der Gestalt jenseits der Fensterscheibe. Bisher hatte sie sich still verhalten, nun durchlief ein Zucken ihren Körper, mit dem Palmer nicht zurechtkam. Sie hob die Schultern mehrmals an, und bei dieser Bewegung blieben sie plötzlich stehen. Zugleich liefen sie an den Rändern auseinander, das heißt, die Rundungen verschwanden und schufen den Kanten Platz, die sich zudem noch in die Höhe bogen und dabei an zwei Speerspitzen erinnerten. Der Körper blieb auch weiterhin in Bewegung, er zog sich in die Länge und erinnerte dabei an Gummi.
Auch die Flecken auf der Gestalt veränderten sich. Hatten sie zuvor mehr wie punktartige Tropfen gewirkt, so verwandelten sie sich nun in lange Ovale oder auch zittrige Streifen, die als Muster auf der helleren Fläche blieben.
Haare bewegten sich wie eine Flut. Zuerst zu den Seiten hin. Als sie dort ihren eigentlichen Platz erreicht hatten, schienen sie von einem Windstoß erfasst worden zu sein, denn urplötzlich sprangen sie in die Höhe. Sie stellten sich aufrecht und bildeten einen regelrechten Kamm, wobei die Enden zu Spitzen zusammenliefen.
Weiche, bleiche Haare, von denen sich ganze Bündel zu Strähnen zusammengefunden hatten und sich von einer Seite zur anderen bewegten, als gehorchten sie einer Musik, die das Innere des Hauses mit ihren Klängen nicht erreichte.
Professor Robert Palmer wusste nicht, was er davon halten sollte.
Er war kein Wissenschaftler mehr, er war in diesem Fall nur noch ein Mensch, der sich fürchtete.
Diondra…
Ja, das war sie. Jetzt sah er es genau, obwohl ihr Körper sich auf so ungewöhnliche Art und Weise verzerrt hatte. Es gab keine andere Möglichkeit, das musste sie einfach sein, und sie führte auch weiterhin ihren eigentümlichen und unerklärlichen Tanz auf, wobei sie die Scheibe nie berührte, zumindest hörte er nichts und ließ sich von dieser gespenstischen Lautlosigkeit gefangen nehmen.
Und noch etwas fiel ihm auf.
Er sah keine Arme!
Erst jetzt war er in der Lage, darüber nachzudenken. Er fragte sich, ob sie keine Arme hatte oder sie in ihren so perfekt veränderten Körper integriert waren,
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