0791 - Diondra - einfach mörderisch
Welt viel komplizierter ist, als dass man sie in eine Formel packen kann. Ich denke auch, dass der Mensch als Individuum diese Kompliziertheit noch übertrifft, aber das sind meine Gedanken, die du schlecht nachvollziehen kannst.«
»Im Moment noch«, murmelte er. »Ob du es glaubst oder nicht, ich werde mich um ein gewisses Umdenken bemühen, obwohl mir dies sehr schwer fällt.«
»Noch, denn ich glaube, dass Diondra dir dabei hilft. Sie hat jemand gesucht, der ihr Halt gibt. Du bist die Person, die sie sich aussuchte. Es wird nicht einfach sein, darüber hinwegzukommen. Ich werde dir dabei helfen, denn ich finde es interessant.«
»Ja, das ist gut«, murmelte er und drehte seinen Körper zur Seite.
Palmer musste aufstehen, er spürte das leichte Kribbeln in den Beinen. Zudem hatte er eine halbe Flasche Rotwein geleert, und dieser Wein war ihm in den Kopf gestiegen.
Mit kleinen Schritten näherte er sich dem Fenster, beobachtet von seiner Frau, die sitzen geblieben war und auch nicht aufstand, als ihr Mann den Platz vor der breiten Scheibe erreicht hatte. Er schaute hinaus und sah in der Ferne das Meer als einen wogenden Teppich mit hellen Schaumkronen darauf. Es war ziemlich windig, die Wellen rollten gegen die Klippen und schäumten dort in langen Gischtfahnen hoch. Es war ein wilder Teil der Küste, die Sandstrände lagen weiter westlich, doch die Klippenküste war von den Touristenströmen verschont worden. Bis zu den Klippen zeigte sich keine Erhebung, ein glattes Land lag vor den Blicken des Professors. Er betrachtete den Himmel, verfolgte die düsteren Nachtwolken, als befände sich irgendwo ein Netz, das alles Wollen auffing.
Professor Palmer wusste, dass dieses Weekend anders werden würde. Zu viel war geschehen, es hatte einen Riss in ihrem bisher relativ beschaulich ablaufenden Leben gegeben, und damit mussten sie fertig werden. Er strich über seine Stirn und dachte daran, wie sehr er es gewohnt war, in komplizierten Mustern zu denken. Vielleicht war gerade dies ein Fehler. Es wäre wohl besser gewesen, wenn er anders gedacht hätte, einfacher und weniger logisch.
Geister – fast hätte er aufgelacht, als er daran dachte, doch Palmer konnte nicht. Seine Frau hatte ihm da etwas gesagt, das er nicht so ohne weiteres abwerten durfte, nicht bei dem, was er hinter sich hatte. Nie zuvor hatte er sich mit diesem Thema beschäftigt, die Mathematik war ihm wichtiger gewesen, deshalb bekam er die Schwierigkeiten, sich damit zurechtzufinden.
In der Glaswand des Wintergartens erschien der Umriss seiner Frau. Sie hatte sich erhoben und ging auf ihn zu. Von hinten schlang sie ihre Arme um seinen Körper und klemmte ihn fest. »Ich weiß, dass dir vieles durch den Kopf schießt, Rob. Ich weiß auch, wie schwer es für dich ist, damit fertig zu werden, deshalb möchte ich dich bitten, nichts allein zu unternehmen.«
»Was meinst du damit?«
»Es kann auch gefährlich werden«, sagte sie.
»Diondra?«
»Ja.«
»Nein, sie ist…«
»Rede nicht weiter, Robby, denk an deine Erscheinungen. Oder willst du jetzt behaupten, dass du sie dir eingebildet hast?«
»Auf keinen Fall.«
»Eben. Wenn wir es mit anderen Kräften zu tun haben, dann müssen wir auch davon ausgehen, dass sie noch nicht erforscht sind. Deshalb können uns noch einige Überraschungen ins Haus stehen, aber darüber sollten wir jetzt nicht sprechen.« Sie ließ ihn los.
»Willst du noch einen Spaziergang machen?«
»Jetzt?«
»Ja, die frische Luft wird uns beiden sicherlich gut tun.«
Robert Palmer legte seine Hände gegen Rebeccas Wangen. »Nein, heute nicht mehr. Ich möchte nur mein Bett sehen, denn dieser Tag hat mich geschlaucht wie selten einer.«
»Das kann ich verstehen.«
»Wenn du noch einen Gang machen willst…«
Sie schüttelte den Kopf und legte ihrem Mann einen Finger auf die Lippen. »Nein, Rob, ich möchte mich auch hinlegen, und wir sollten beide daran denken, dass morgen auch noch ein Tag ist.«
»Das meine ich auch.«
***
Schlafen, dachte der Professor, schlafen ist etwas Wunderbares, wenn man es kann.
Er konnte es in dieser Nacht nicht. Da hatte auch der Wein nicht geholfen, und selbst der Stress der vergangenen Stunden war nicht dazu angetan, ihm die Müdigkeit zu geben, die er benötigte, um tief und fest einzuschlafen.
Er lag wach.
Neben ihm und eng an ihn gedrückt schlief Rebecca. Er beneidete sie um ihren Schlaf, und Palmer hoffte nur, dass ihm irgendwann die Augen zufallen würden.
Er war kaputt,
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