0794 - Das Zauber-Zimmer
heißt, sie glitten um ihn herum, schauten hinein und hatten wohl das Telefon entdeckt. Der Glatzkopf machte uns an. »Seid ihr Bullen?«
»Haben wir vier Beine?«, fragte ich zurück.
»Nein, aber dämliche Gesichter.«
Ich gab keine Antwort, sondern ging zu Harry, der den Deckel des Kofferraums hatte hochschnellen lassen. Das Licht der Beleuchtung fiel wie ein schauriger Totenschein auf die Leiche, und die beiden Anmacher und Großkotze bekamen plötzlich große Augen, denn auch sie schielten in den Kofferraum.
Vor Schreck schafften sie es nicht, einen Kommentar zu geben. Der Kleinere pfiff durch die Zähne. »Da haben die Bullen wieder zugeschlagen«, flüsterte er seinem Kumpan zu, als wir den Toten schon längst hervorgeholt hatten und der Kofferraum wieder verschlossen war.
Gemeinsam trugen wir die Leiche zur Werkstatt hin. Wir hatten sie nicht geschlossen, der Weg war frei, und so schafften wir die Leiche bis nach vorn durch, wo Walter Fuhrmann schon auf uns gewartet hatte. Als wir in seine Nähe gerieten, rochen wir seine Schnapsfahne, er hatte zwischenzeitlich einen kräftigen Schluck getrunken, und ich hörte ein Geräusch, das ich nicht identifizieren konnte. Jedenfalls hatte es der Schreiner ausgestoßen.
Auch Harry Stahl war alarmiert worden. Zusammen mit mir legte er den Toten zu Boden, dann drehten wir uns um und hörten die schleifenden Schritte. Fuhrmann ging und wankte dabei zurück.
Erst eine Wand stoppte ihn.
»Was haben Sie?«, fragte Harry.
Er stierte nur die Leiche an.
»He, machen Sie den Mund auf!«
Fuhrmann hielt die Lippen geschlossen. Er streckte den Arm aus.
Sein kräftiger Zeigefinger, bei dem nur noch ein halber Nagel vorhanden war, deutete nach vorn. »Woher… woher haben Sie ihn?«
»Ist das wichtig?«
»Woher haben Sie ihn, Kommissar?«
»Aus dem Hotel.«
Fuhrmann stöhnte. Er wischte über sein Gesicht. »Ja, aus dem Hotel«, würgte er hervor. »Aus dem verdammten Hotel.« Er schüttelte sich. »Den sarge ich nicht ein.«
»Warum nicht?«
»Nein!«
Harry schaute mich an, ich ihn. Beide zugleich hoben wir die Schultern. Wir konnten uns wirklich keinen Reim auf diese Reaktion machen. Das war nicht eingeplant.
Der Schreiner sprach weiter. »Er ist verflucht, er ist aus dem Hotel zurückgekehrt. Die Toten kehren wieder«, er schüttelte den Kopf.
»Oh, verdammt, das ist…«, er unterbrach sich selbst, löste sich von der Wand und rannte weg.
Nicht durch die normale Tür, sondern durch eine andere, die Haus und Werkstattverband. Er donnerte sie hinter sich zu, und wir verstanden die Welt nicht mehr.
»Kannst du mir sagen, was er hat, John?«
»Nein, kann ich nicht. Es sei denn, du bist mit dem Wort Angst zufrieden.«
»Ja, das denke ich auch. Nur wovor hat ein Mann wie er Angst? Sicherlich nicht vor einem Toten.«
Ich hob die Schultern. »Er hat ihn gekannt, Harry, das können wir seiner Reaktion entnehmen. Er wusste genau, wen er vor sich hatte, und er hat von einer Rückkehr der Toten gesprochen, wobei er wohl keine Zombies gemeint haben kann.«
»Das denke ich auch. Aber er muss mehr über das verdammte Hotel und dessen Geheimnis wissen.« Harry winkte ab. »Das soll uns nicht weiter berühren. Wenn er nicht will, übernehmen wir eben seinen Job und sargen ihn ein. So leicht ist das.«
Ich war einverstanden. Der Deckel des Sargs ließ sich leicht öffnen.
Ich schaute hinein und sah das noch rohe Holz. Da war nichts geschliffen worden. Wer in dieser Totenkiste landete, der konnte so verscharrt werden.
Wieder einmal hoben wir den Toten an. Daran gewöhnen würde ich mich nie. Wir legten ihn in den Sarg und drückten ihm die Arme an den Körper. »Passt«, sagte Harry.
Ich hatte schon den Deckel angehoben. Als ich ihn auf das Unterteil drückte, hörte ich Harrys Kommentar. »Nun ja, kalt genug ist es ja. Da wird er sich halten.«
Mein Blick traf ihn schräg von der Seite. »Du hast vielleicht einen seltsamen Humor.«
Der Kommissar hob die Schultern. Er bewegte sich zwischen den Werkmaschinen einher. »Was willst du machen? In unserem Job muss man sich ein dickes Fell zulegen.«
»Das gelingt nicht immer.« Ich hatte ein Waschbecken entdeckt, ging hin und wusch mir die Hände.
Harry Stahl tat es mir nach. Während er sich wusch, fragte er: »Ich möchte nur gern wissen, was mit Fuhrmann los war. Dass der überempfindlich reagiert hat, das hat mich schon misstrauisch gemacht. Das kann doch nicht normal sein.«
»Ist es auch nicht.«
Am Taschentuch
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