0794 - Das Zauber-Zimmer
der in unserer Nähe lag.
Uns erwartete ein leises Schaben.
Ich drehte mich um, schaute nach links – und sah, wie sich der Dolch bewegte und von der Stufe aus in die Höhe stieg.
»Vorsicht!«, rief ich Harry zu und wollte gleichzeitig nach dem Dolch schnappen.
Doch die Waffe war schneller, denn sie gehorchte tatsächlich dem unheimlichen Mädchen. Sie berührte noch meinen Handrücken, dann jagte sie dem Kind entgegen, und wir waren einfach zu weit entfernt, um die Waffe noch abfangen zu können.
Sie würde die Kehle der Kleinen durchbohren!
Dann der Griff!
Blitzartig angesetzt, als hätte eine Klapperschlange zugestoßen.
Das Mädchen packte zu, und es hatte dabei genau gezielt. Seine Finger umklammerten den Dolchgriff. Für einen Moment blieb ihre Hand in dieser Haltung, dann zog sie den Arm nach oben und hielt uns die Waffe triumphierend entgegen.
Ich hatte meine Lampe wieder eingeschaltet und ließ den Lichtarm schräg über die Stufen hinweg durch den aufgewirbelten Staub die Treppe hoch gleiten.
Zielgenau traf ich das Gesicht des Mädchens, wobei der Schein auch die Klinge berührte und einen blitzenden Reflex warf. Den größten und intensivsten Reflex aber sahen wir in den so angeblich toten Augen des Kindes.
Sie leuchteten auf und kamen mir plötzlich vor wie zwei Sonnen, die uns blenden wollten.
Allerdings nur für einen Moment, dann war das Licht wieder verschwunden.
Mit dem Dolch in der rechten Hand drehte sich das Kind um und setzte seinen Weg fort.
Ich fand, dass wir schon zu lange gewartet hatten, nickte Harry zu und sagte nur: »Komm!«
Dann eilte ich die Stufen hoch. Irgendeine Kraft oder eine Vermutung trieb mich an. Mein Gefühl sagte mir, dass uns die Kleine entschwinden könnte. Jenseits der Treppe lag zwar ein Flur, dort befand sich auch das normale Hotel, aber mir kam es vor wie ein Teil aus einer anderen Welt, die durchaus als Fluchtburg dienen konnte.
Wir waren schnell, das Kind ebenfalls, aber es erreichte noch vor uns das Ende der Treppe.
Reflexhaft drehte er sich um!
Wir starrten uns an.
Aber wir sahen auch den Dolch, der auf uns zeigte. Zwei Stufen vor ihr waren wir stehen geblieben.
Das namenlose Mädchen hatte den Mund geöffnet, nur drang kein Laut daraus hervor. Es starrte uns nur an, und wir empfanden den Blick als sehr, sehr böse.
»Bleib hier«, bat ich.
Sie tat mir nicht den Gefallen und ging zurück. Sehr langsam und auch mit sehr kleinen Schritten, aber sie zeigte damit auch, dass sie sich nicht aufhalten lassen wollte.
Ich ging vor.
Das Kind sprang plötzlich hoch.
Ich stand jetzt auf der letzten Stufe und rechnete damit, dass es sich auf mich werfen würde, nur tat es dies nicht. Es hatte nur Kraft für einen weiten Sprung nach rückwärts sammeln wollen, um seinen Körper gegen die Flurwand zu schmettern, wo sich auch das hellere Rechteck abzeichnete.
Aber da war keine Wand.
Da war nichts, bis auf die Helligkeit, und in sie hinein jagte das Mädchen.
Im nächsten Moment wirkte es wie eine Projektion. Mir geriet dabei ein Bild aus einem Film in Erinnerung. Diese Kleine sah so aus wie das Mädchen aus dem Streifen ›Poltergeist‹, als es, lichtumflort, in die andere Welt gezerrt wurde.
Sie schwebte weg und stand trotzdem da. Es war ein Bild, das ich mir kaum erklären konnte. Das Mädchen hatte sich verändert, es war zu einem strahlenden Engel geworden, mit einem Dolch in der Hand. Die Kraft riss an ihm, und sie hatte es auch geschafft, Herr über die Haare zu werden, denn sie waren in die Höhe gerissen worden und umgaben den Kopf wie eine Aura aus Lichtbalken.
Eine lebende Tote wird uns entrissen, kehrt wieder zurück in ihr eigentliches Reich!
Diese Gedanken schossen mir durch den Kopf, und all dies dauerte nicht lange.
Harry und ich sahen das Mädchen nur für einen Moment wie eine Projektion innerhalb des Rechtecks, dann wurde der Sog stärker, was für uns so aussah, als wären die hellen Wände von den beiden Seiten her zusammengeklappt und hätten die Kleine verschlungen.
Sie blieb verschwunden.
»Das verstehe ich nicht«, kommentierte der Kommissar und hatte mir dabei aus dem Herzen gesprochen…
***
Wir mussten uns einfach damit abfinden, dass die andere Seite – wer immer sie auch sein mochte – in diesem Hotel stärker war als wir selbst. Genau das hätte man normalerweise getan, nur war ich kein Typ, der davor kapitulierte. Ich wollte nicht aufgeben und weiterkämpfen, jetzt, wo man uns gelinkt hatte erst recht. Es
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