0795 - Vater, Mutter, Satanskind
Tisch.
Für die Dauer einer Sekunde stand Harry Stahl unbeweglich. Erst dann fiel ihm ein, dass er den Stuhl noch an der Lehnen festhielt, und er setzte diese Tatsache in der nächsten Sekunde um.
Den Stuhl schwingend rannte er vor. Sein Ziel waren die schrecklichen Gestalten an der Tür, die heulend zur Kenntnis genommen hatten, dass der Mann noch lebte.
Sie reagierten nicht so schnell. Sie waren alt und verbraucht, ihre Knochen spielten nicht mehr mit, und Harry setzte den Stuhl zwischen die Köpfe und Körper.
Er wollte und musste sich den Weg frei schlagen. Er hörte die klatschenden Geräusche, er wusste dabei nicht, ob es Knochen waren, die brachen oder der Stuhl an gewissen Stellen einfach zersplitterte.
Ihm war es egal, er wollte nur durch.
Wieder schlug er zu.
Schattenhaft sah er die blassen Gesichter der schwankenden Gestalten. Er sah Blut aus Platzwunden in den Gesichtern fließen, er entdeckte die schrecklichen Fratzen dicht vor sich, er hörte hinter sich das Schreien des Kindes, und er schlug weiter gegen die Gestalten ein, die trotz ihrer Wehrlosigkeit eine gewisse Resistenz aufwiesen, denn so einfach gelang es ihm nicht, eine Lücke zu schlagen, denn immer mehr dieser Gestalten rückten nach. Er hörte sich selbst keuchen. Harry schwankte auch, denn der Boden war ziemlich glatt.
Deshalb geriet er ins Taumeln und stolperte nach vorn.
Sofort waren die Hände da, die nach ihm griffen. Er sah die bleichen Klauen mit der dünnen Haut, duckte sich, drehte sich zur Seite, wollte zumindest sein Gesicht in Sicherheit bringen, was er nicht ganz schaffte, denn plötzlich bohrten sich die Finger mit den spitzen Nägeln durch seine Haut. Er hatte Pech, als eine Hand an seiner Wange entlang nach unten rutschte und sich ein Finger hinter der Unterlippe verfing, um sie nach unten zu zerren.
Harry warf sich zurück.
Der Finger rutschte ab, ohne dass der Mund zerrissen worden wäre. Aber der Schmerz war wie Feuer, worauf Harry nicht achten konnte. Er kämpfte hier um sein Leben.
Ein zweiter Sprung brachte ihn aus der Reichweite der Alten.
Schnell schaute er zurück und war froh, es getan zu haben, denn das Kind lief auf ihn zu.
Es bewegte sich etwas ungelenk und breitbeinig, als hätte es Mühe, das Gleichgewicht zu halten. Der böse Ausdruck in den Augen hatte sich noch vertieft, und der Stahl der Dolchklinge gab ein mattes Glänzen ab.
Harry entschied sich für eine Flucht zur Seite.
Er rechnete auch damit, dass die Kleine den Dolch auf ihn schleudern wollte, und mit einem wahren Pantersatz gelang es ihm, auf die Platte eines Tischs zu springen.
Dort drehte er sich um.
»Ich komme!«, schrie und kreischte das Kind.
Es sprang ihm entgegen.
Da stieß sich der Kommissar ab. Es war seine letzte Chance, bevor er die Waffe ziehen und auf das Kind schießen würde.
Mit beiden Füßen erwischte er es an der Brust. Der kleine Körper fiel zurück, schlug auf dem Boden auf, und Harry trat noch einmal zu, als wollte er es in die Erde stampfen. Bevor die Klinge ihn erwischen konnte, war er schon zur Seite gesprungen und hetzte auf eine zweite Tür zu, die ihm erst ziemlich spät aufgefallen war.
Harry wusste nicht, wohin sie führte. Für ihn war es noch immer besser, sie jetzt aufzureißen und in einen ihm unbekannten Teil des Hotels zu fliehen, als in diesem Saal zu bleiben. Schlimmer konnte es nicht kommen.
Geduckt hetzte er an den alten Tischen und Stühlen vorbei. Dass er hin und wieder welche umwarf, störte ihn nicht. Er ließ das Poltern hinter sich, sah endlich die Tür dicht vor sich und wuchtete sie mit der rechten Schulter auf.
Er stolperte ins Nichts.
Zum ersten Mal schrie Harry Stahl auf. Ihn überkam eine fürchterliche Angst, denn dieses Dunkel war nicht mit dem normalen zu vergleichen, es war einfach anders. Es war so dicht, es kam ihm fettig vor, als hätte es eine Gestalt angenommen.
Er stolperte hinein.
Drei, vier Schritte, auch einen fünften, und genau der war zu viel, denn er spürte an seiner rechten Fußspitze den Widerstand, den er auch nicht mehr mit einem Sprung überwinden konnte. Harry Stahl verlor das Gleichgewicht. Er fiel nach vorn, das Dunkel tanzte während des Falls vor seinen Augen, und dann schlug er auf.
Unglücklich, denn er hatte sich nicht mehr abrollen können. Mit der Stirn war auf den Boden geprallt. Es gab die Sterne wirklich, die plötzlich vor seinen Augen aufsprühten, als wollten sie den Kopf einfach auseinander reißen.
Er hörte sich stöhnen und
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