0795 - Vater, Mutter, Satanskind
dagegen. »Nein, nein, so lange halte ich es noch aus.«
Sie blieben dicht hinter mir. Nicht eine Laterne spendete Licht, als wir in die Nähe der Haustür gerieten. Dafür sickerte aus den Fenstern ein mattgelber Schein, der ein rötliches Flair bekommen hatte, als er den Boden erreichte und sich dort in sachten Wellen ausbreitete. Eine alte Bank stand vor der Haustür. Auf ihr hockte eine Katze mit aufgeplustertem Fell. Als sie meine beiden Begleiter entdeckte, machten sie einen Buckel, miaute und verschwand.
Wir durchquerten den Lichtschein. Genau in diesem Moment tauchte an der anderen Seite des Fensters jemand weg, als fürchtete er sich davor, von uns gesehen zu werden.
»Wir sind nicht willkommen«, flüsterte Delia.
Da hatte sie Recht. Aber wer war schon mitten in der Nacht als Fremder willkommen?
Vor der Haustür blieb ich stehen. Ich überlegte, ob ich klopfen sollte, als ich von innen ein verdächtiges Geräusch hörte. Es wurde keine Waffe entsichert, nein, das war es nicht; ein Schlüssel drehte sich kratzend im Schloss.
Bevor die Tür abgeschlossen werden konnte, hatte ich die Klinke umfasst, sie nach unten gedrückt und wuchtete die Tür mit einer heftigen Bewegung nach innen.
Dass sie einen Menschen traf, war Pech. Eine Männerstimme fluchte, ich kümmerte mich nicht darum, sondern trat über die Schwelle in die von der Wärme eines großen Kaminzimmers erfüllte Diele des Bauernhauses.
Ein Mann torkelte zurück. Er hielt eine Hand gegen seinen Mund gepresst, dort musste ihn die aufgestoßene Tür erwischt haben. Ich gab meinen beiden Begleitern ein Zeichen, mir zu folgen, und sie huschten ebenfalls ins Warme, wobei Delia versuchte, ihre Blößen zu bedecken, denn sie schämte sich.
Auf einer Bank nahe dem Ofen saßen weitere drei Personen. Eine Frau mit ihren beiden halbwüchsigen Kindern. Ein Junge und ein Mädchen, beide zwischen zwölf und fünfzehn Jahren.
»Sie brauchen keine Angst zu haben, das ist ›kein‹ Überfall«, sagte ich mit möglichst ruhiger Stimme. »Wir möchten uns nur von Ihnen etwas Kleidung ausleihen. Und für mein heftiges Eindringen möchte ich mich entschuldigen.«
Die drei auf der Bank schwiegen.
Ich wandte mich an den Mann. Er war dabei, mit einem Taschentuch seine Unterlippe abzutupfen. Unter seiner breiten und hohen Stirn schauten mich zwei Augen schreckhaft an. Wahrscheinlich traute er dem Frieden nicht so recht, was auch verständlich war. Der Mann hatte das blonde Haar zurückgekämmt, und ebenfalls blond war auch seine Frau, die beide Arme um die Schultern ihrer Kinder gelegt hatte. Rechts von mir stand ein Fernseher, der Ton war abgedreht worden, nur die Bilder huschten lautlos über die Mattscheibe.
»Bitte, wir brauchen Kleidung.«
»Wer sind Sie?«, fragte die Frau.
»Das ist egal.«
»Haben Sie mit denen vom Hotel zu tun? Ist es jetzt so weit! Erfüllt sich das Grauen, das teuflische Versprechen?«
Ich war neugierig geworden. »Was sollte sich denn erfüllen?«
»Ich…«
»Halte den Mund, Elfriede. Ich will kein Wort hören!«, mischte sich der Mann ein. »Das ist nicht unsere Angelegenheit. Wir gehören nicht zu denen, haben nie dazugehört.«
Ich räusperte mich. »Aber wahrscheinlich sind wir gerade wegen ›denen‹ gekommen.«
»Wieso?«
»Moment noch. Bitte Elfriede, würden Sie Kleidung für die Frau und auch den Mann holen? Und wenn Sie noch Schuhe finden, wäre ich Ihnen sehr verbunden.«
Die Frau erhob sich von der Bank wie eine Schlafwandlerin. Es war still geworden. Nur das Rauschen der Flammen und das Knistern der verbrennenden Holzscheite sorgten für Geräusche.
»Kommt.«
Die beiden Kinder erhoben sich. Auch sie schauten uns misstrauisch an, und sie wurden von ihrer Mutter an die Hand genommen.
Durch eine Seitentür verschwanden sie, und ich hoffte, dass die Frau es sich nicht anders überlegte.
»Kann ich mir einen Schnaps genehmigen?«, fragte der Mann.
»Es ist Ihr Haus, ich habe nichts dagegen.«
»Danke.«
Er ging zu einem Schrank, während ich Delia und Darius zulächelte. »Wollen Sie auch einen?«
»Ja, am besten drei.«
»Gut.« Der Mann stellte Gläser auf den Tisch. In der Flasche befand sich eine helle Flüssigkeit. Während er einschenkte, schüttelte er den Kopf. Er musste dabei Acht geben, dass er nicht gegen die Lampe stieß. »Es ist komisch, aber ich vertraue Ihnen, obwohl Sie hier mitten am späten Abend hereingeschneit sind wie Figuren aus einem Märchen oder so ähnlich.«
»Keine Sorge,
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