0796 - Larissas blutiger Weg
war wie ein Kastenteufel vom Bett hochgesprungen, kam aber die berühmte Sekunde zu spät und wäre beinahe noch frontal gegen das Türblatt geprallt. Im letzten Augenblick konnte ich abdrehen und den Aufprall mit der Schulter abfangen.
Ich hörte sie im schmalen Flur. Wahrscheinlich schnappte sie sich irgendwelche Kleidungsstücke, während ich die Klinke nach unten drückte und feststellen musste, dass sie die Tür verschlossen hatte.
Ich brach sie auf.
Es kostete mich drei Anläufe und einige blaue Flecken, bevor ich in die schmale Diele hineinfiel, die ich natürlich leer fand, denn Larissa hatte das Weite gesucht.
Okay, ihr Vorsprung war nicht sehr groß, aber ohne Schuhe hatte es keinen Sinn, die Verfolgung aufzunehmen. Ich streifte sie hastig über, nahm auch mein Jackett mit, steckte die Waffe ein und stürmte abermals aus dem Zimmer.
Die Haustür hatte sie nicht abgeschlossen. Ich stand im Flur und hörte nichts.
Drei bis vier Stufen auf einmal nehmend hetzte ich die Treppe nach unten. Auf den Lift wollte ich nicht warten. Dann rannte ich hinein in die Garage, wo ich ihren Wagen nicht mehr sah. Aber ich roch, dass vor kurzem jemand gestartet war, die Abgase hingen noch in der Luft.
Diesmal unterdrückte ich den Fluch nicht. Ziemlich verloren stand ich in dieser verdammten Garage und dachte nach. Wohin konnte sie gefahren sein?
Gab es nur dieses eine Versteck oder hatte sie noch mehrere Wohnungen gemietet?
Zuzutrauen war es ihr, nur wollte ich daran nicht so recht glauben. Mein Gefühl sagte mir, dass so etwas nicht zutraf, und ich hasste plötzlich diesen verdammten Fall, der mir derartig durch die Hände geglitten war.
Gab es für sie einen Fluchtpunkt?
Wahrscheinlich ja, und da kam nur einer in Frage.
Die Moskau-Bar!
Möglicherweise war sie in der Stimmung und auch so überrascht, dort einen Amoklauf zu begehen. Ich wusste nicht, was sich in ihrem Innern abspielte, es konnte eine Hölle sein, denn sie handelte ja nicht aus sich selbst heraus, sondern stand unter dem Einfluss einer anderen Person, die sie Mamutschka genannt hatte.
Das war russisch, demnach musste die Ursache dieses Übels in Russland liegen. Es war durchaus möglich, dass sie dort wieder hin wollte, aber so einfach war es auch nicht.
Die Tiefgarage hatte ich längst wieder verlassen. Noch immer schwitzend verließ ich auch das Haus auf der Suche nach einem Taxi. In der Bar wartete Suko so herrlich sorgenvoll auf mich, und ihn musste ich zunächst einweihen.
Hoffentlich kam ich nicht zu spät…
***
Ihr Gesicht und auch die Augen zeigten blutunterlaufene Stellen. In ihrem Innern kochte es, und sie spürte die fremde Person, die sich ihrer Seele bemächtigt hatte.
Mamutschka war da.
Sie hatte ihren Schützling eigentlich niemals verlassen. Sie war immer bei ihr gewesen, sie hielt die Hände über sie ausgebreitet, und sie würde es auch in Zukunft tun.
Keine Angst, keine Sorge, sie musste nur noch einiges ins Reine bringen, um sich dann voll und ganz Mamutschka widmen zu können. In den ersten Minuten war sie sehr schnell gefahren und hatte Glück gehabt, nicht erwischt worden zu sein. Später hatte sie dann das Tempo verringert und sogar angehalten.
Sie war in einen kleinen Park hineingefahren, um eine kurze Pause zu machen.
Im Licht der Innenbeleuchtung sah ihr Gesicht im Spiegel einfach schrecklich aus. Die Wunden ließen sich nicht wegleugnen, aber sie brannten nicht. Sie waren einfach da, sie taten ihr gut, und sie griff in die Tasche ihres Fellmantels, den sie übergestreift hatte. Dort befand sich das Andenken an Mamutschka.
Das Fläschchen mit dem Stöpsel, den sie mit zwei Fingern locker abstreifte.
Sie setzte das Gefäß an ihre Lippen.
Bisher hatte sie sich immer mit einem oder zwei Tropfen zufrieden gegeben. Das wollte sie nicht mehr. Sie kippte es ruckartig, das Blut der alten Hexe glitt auf die Öffnung zu, dann hindurch und erreichte den Mund der jungen Russin.
Sie schmeckte es auf der Zunge. Ein dicker Schleim rann darüber hinweg.
Larissa trank, aber sie hatte sich dabei noch so gut in der Gewalt, dass sie die Flasche nicht völlig leerte. Etwa die Hälfte blieb noch zurück, denn sie musste an die Zukunft denken. Dass es noch eine Zukunft für sie gab, daran glaubte sie fest. Nur nicht mehr in dieser Bar, das war vorbei. Nie hätte sie gedacht, jemandem in die Arme zu laufen, der stärker war als sie oder ebenso stark. Noch immer schüttelte sie sich, wenn sie dabei an das Kreuz dachte.
Dieser
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