0796 - Larissas blutiger Weg
Schlupflöcher zu finden, und sie erreichte das Freie, ohne erst die Bar durchqueren zu müssen. In der nächtlichen Kälte blieb sie stehen und holte tief Luft. Sie braucht das jetzt, einen Moment der Ruhe und Entspannung, zudem etwas von dem Gefühl tanken, es so gut wie geschafft zu haben.
Bei ihrer Rückfahrt hatte sie sich an die Regeln halten müssen. Für sie hieß das, den Parkplatz im Hinterhof zu benutzen, denn auf der Straße und vor der Bar war alles dicht. Selbst in der unmittelbaren Nähe bekam sie keine freie Fläche, auf der anderen Seite empfand sie es als gut, durch die Dunkelheit laufen zu können, um sich letztendlich in den Wagen zu setzen und zu verschwinden.
Sie raffte den Mantel fester um ihre nackte Gestalt. Das Geld hatte sie tief in die Tasche gestopft, in der anderen wusste sie das Rasiermesser, und sie war davon überzeugt, dass es ihr noch viele gute Dienste erweisen würde. Sie würde es immer im Sinne der Mamutschka einsetzen, denn Blut bedeutete für sie Kraft und Leben. Es war der besondere Saft eines Menschen, und bei ihrer alten Mamutschka hatte er sogar ausgereicht, ihr Macht zu geben.
Macht über Menschen…
Sie grinste gefährlich, als sie daran dachte und mit raschen Schritten ihren Weg fortsetzte. Dabei hielt sie sich immer nahe an der Hauswand, da sie so wenig wie möglich auffallen wollte. Blicke streiften sie, es sprach sie auch jemand an, sie kümmerte sich nicht darum, sondern eilte weiter. Die Kälte kroch ihre nackten Beine hoch, auch das war ihr egal. Sie würde sich schon zurechtfinden, wenn sie diese Stadt hinter sich gelassen haben sollte. London sollte auf ihrem Weg nur mehr eine Episode sein, die ganze Welt stand ihr offen, und über ihr würde die Mamutschka schweben wie eine Schutzpatronin.
War sie unbesiegbar?
Vielleicht, jedenfalls wünschte sie es sich, und sie wünschte sich irgendwann auch den Kontakt zu anderen, zu den Gestalten des Bösen, die erst beschworen und aufmerksam gemacht werden mussten.
Ihr Atem ging schwer. Die rechte Hand schob sie in die Manteltasche, wo die Finger den Griff des noch immer ausgeklappten Messers umfassten. Da die Gegend finsterer wurde, machte sie sich verteidigungsbereit. Sollte sich ihr jetzt jemand in den Weg stellen, würde sie ihm die scharfe Klinge quer durch die Kehle ziehen, das stand fest.
Um den Hinterhof zu erreichen, in dem der Wagen stand, musste sie eine Einfahrt durchqueren. Am Tag war sie ein grauer Tunnel, in der Nacht wirkte sie wie ein gefährliches Loch. Freiwillig ging hier niemand hin. Oft genug lungerten Typen herum auf der Jagd nach Beute, und auch jetzt war sie nicht allein, das spürte sie. Larissa merkte die Ausstrahlung der anderen Personen. Sie taten ihr zwar nichts, aber sie waren da und hielten sich versteckt.
Am Ende der Durchfahrt blieb sie stehen.
Ihr Blick glitt nach links. Im Schatten einer Mauer malte sich ein kleinerer ab. Eine alte Bude stand dort, zusammengezimmert aus Brettern und Blech. Sie diente als Unterschlupf für gewisse Typen, die meist in der Nacht unterwegs waren und nach Beute suchten.
Die nicht weit entfernt arbeitenden Mädchen wurden von ihnen in Ruhe gelassen, da sie genau wussten, was ihnen blühte, wenn sie die angriffen.
Hundertprozentig konnte sie sich nicht darauf verlassen, und Larissa sah die Bewegung dort, wo sie ihren Wagen geparkt hatte. Er stand ziemlich günstig. Wenn sie das Grundstück verlassen wollte, brauchte sie nicht erst zu drehen.
Die Gestalt bewegte sich um den Wagen herum. Sie schaute hinein, sie suchte nach Beute. Der dumpfe Schlag gegen die Scheibe kehrte als Echo zurück, und in den Augen der Frau blitzte es auf. Sie würde es nicht zulassen, dass man ihren Wagen stahl oder in demontierte, denn alles war möglich.
Sie nahm auch keine Rücksicht mehr auf irgendwelche verräterischen Geräusche. Bevor sich der Kerl versah, stand sie neben ihm, und als er seinen Kopf drehte, da schaute sie ein noch junges Gesicht, dessen Haare unter einer Pudelmütze versteckt waren.
»He, gehört dir der Wagen?«
»Ja, und du hau ab!«
Der Junge kicherte. Er stand unter Drogen, er war kaum mehr zurechnungsfähig. Larissa hielt den Schlüssel bereits in der Hand. Sie musste sich bücken, um die Tür aufzuschließen, und sie stand noch in dieser Haltung, als sie zwei Arme von hinten her in Hüfthöhe umfassten, um sie zurückzuzerren.
»Nein, den werde ich nehmen!«, hörte sie den keuchend und röchelnd hervorgestoßenen Satz, begleitet von einem
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