0797 - Tränenjäger
hatte. Gespannt wartete er auf Laertes Ausführungen.
»Noch heute ist es für mich unfassbar. Ausgerechnet hier lebte sie. Ich konnte damals überhaupt nicht an diesen unglaublichen Zufall glauben. Ich habe sicher ein Dutzend Bluttests durchgeführt, ehe mein Kopf die Tatsache zu akzeptieren begann.« Er sah in die gespannten Gesichter seiner Zuhörer. Konnten sie ihn überhaupt verstehen?
»Wie soll ich es beschreiben? Die erste Frau eures Stammvaters Adam hieß Lilith. Sie verkörperte das Ungezügelte, die Verführung, das Böse schlechthin. Dann erst kam Eva, die exakt das Gegenteil der Lilith war. So könnte man es beschreiben: Hier das Urböse, dort das reine Gute. Hier Sarkana - dort deine Mutter, Liberi.«
Khira Stolt suchte van Zants Augen. Doch auch der Physiker konnte sich keinen Reim auf diese Allegorie machen, die Laertes vor ihnen ausbreitete.
Der Vampir löste das Rätsel auf.
»Sarkana und Khiras Mutter waren zwei Pole, die einander mit Macht abstoßen mussten. Das, was sie in sich trug, war jedoch nur das Rohmaterial. Es hielt die Vampire von ihr fern, also musste die Reaktion des Fürsten Sarkana um ein Vielfaches größer sein, denn er war ein Dämon. Doch das reichte mir nicht. Ich ging einen riesigen Schritt weiter. Ich führte ihrer Leibesfrucht Sarkanas Gene zu.«
Van Zant zuckte zusammen. »Was hast du getan? Die Gene eines Dämons… einem ungeborenen Kind zugeführt?« Artimus zügelte sich, denn er ahnte, was in Khira vor sich gehen musste.
Die Kleinwüchsige schien zu Eis erstarrt. Wenn van Zant die Ausführungen des Vampirs richtig deutete, dann war Khiras Mutter so etwas wie adämonisch gewesen. Ein Begriff, den es so sicher nicht gab, doch Artimus fand ihn treffend.
»Ich habe dir schon gesagt, dass ich es heute bereue, Khira. Aber rückgängig kann ich es nun nicht mehr machen.« Laertes Rechtfertigung war schwach, das wusste er. »Escalus war Sarkana näher- als es jemals ein anderer unseres Volkes war. Er verfügte über Genmaterial des Vampirdämons. Ich habe es zweckentfremdet angewandt. Du wurdest geboren, Khira, und mir wurde schnell klar, dass meine Versuche einigen Erfolg gehabt hatten. Kein Vampir hätte es gewagt, dein Blut zu trinken. Sie alle hatten Angst vor dir. Selbst Escalus, der nicht verstand, warum der Nährwert deines Blutes nicht ansteigen wollte.«
»Aber er hat mehrfach gewarnt, dass er mich deshalb töten wollte. Warum…?«
Laertes lächelte hintergründig. »Ich habe deine Blutproben dann stets… sagen wir einmal manipuliert. Meine Magie vermag vieles zu tun. Ich habe mit dir eine lebende Waffe gegen Sarkana erschaffen, doch das durfte Escalus natürlich nicht einmal ahnen. Denn deine Entwicklung war ja noch lange nicht abgeschlossen.«
Van Zant spürte, dass seine Kräfte durch die Ruhepause langsam wieder Zunahmen.
Viele Fragen schwirrten durch seinen Kopf, doch eine war wichtiger als alle anderen. Wie konnten sie von hier verschwinden?
Er glaubte nicht, dass Laertes Khira Böses wollte. Doch was war mit der Vampirin, die ihn vorhin so schwer attackiert hatte? Sie stand ganz sicher auf Sarkanas Seite. Es würde darauf ankommen, ob Laertes sie auszuschalten vermochte.
Khira löste sich von Artimus und ging zu dem Vampir. »Warum hat Sarkana das entsetzliche Massaker unter den Menschen hier angerichtet? Bitte sag es mir, Dalius. Ich muss es wissen. Hatte es mit mir zu tun? Bin ich schuld am Tod dieser Menschen?«
Laertes Augen verloren ihr Leuchten. Es schien, als habe sich ein Nebelfilter vor seine schwarzen Pupillen geschoben. »Erinnerst du dich denn nicht mehr an den Tag, Liberi? Denk nach. Das Wissen darum ist in dir.«
***
Finnland - 1983
Der Dominus war gekommen.
Der Herr, der eine, der über das Leben aller hier gebot.
Escalus, Laertes und die anderen -selbst Cranmer - hatten den Menschen tagelang eingebläut, wie sie sich zu verhalten hatten.
Alle Vampire schienen eine tiefe Angst vor dem Dominus zu haben. Zumindest machte sein Kommen sie unglaublich nervös. Escalus lief durch die Gebäude des Fjällis-Hofes, als müsse er kontrollieren, dass es dort nichts gab, was den Einen stören oder wütend machen konnte.
Khira verhielt sich in diesen Tagen still. Dalius hatte ihr gesagt, sie solle wie ein Schatten sein, den man ahnt, aber nicht wirklich sehen kann. »Dominus darf dich nicht sehen. Ich erkläre es dir später, Liberi. Sei ein Schatten, meine Kleine!«
Khira war nun zwölf Jahre alt, und sie war klug. Vieles von dem, was
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