08-Die Abschussliste
Zelle zu kommen, um in seinem Buch weiterzulesen, vermutlich genau dort, wo er aufgehört hatte. Wir parkten das Humvee bei der MP-Fahrbereitschaft. Gingen in mein Dienstzimmer. Summer nahm sich sofort die Fotokopie des Wachbuchs vor, die noch immer neben der Straßenkarte an der Wand hing.
»Vassell und Coomer«, sagte sie. »Sie waren die einzigen anderen Personen, die den Stützpunkt am fraglichen Abend verlassen haben.«
»Sie sind nach Norden gefahren«, erklärte ich. »Wenn Sie sagen wollen, dass sie den Aktenkoffer aus dem Auto geworfen haben, müssen Sie auch sagen, dass sie nach Norden gefahren sind. Nicht nach Süden, nicht nach Columbia.«
»Okay«, meinte sie. »Dann sind Carbone und Brubaker nicht von demselben Kerl ermordet worden. Es gibt keine Verbindung zwischen den beiden. Wir haben nur eine Menge Zeit vergeudet.«
»Willkommen im richtigen Leben«, sagte ich.
Das richtige Leben wurde noch verdammt viel unerfreulicher, als mein Telefon zwanzig Minuten später klingelte. Das war meine Sergeantin. Die Frau mit dem kleinen Jungen. Sie hatte Sanchez, der aus Fort Jackson anrief, am Apparat und stellte das Gespräch durch.
»Willard war da und ist schon wieder fort«, sagte er. »Unglaublich.«
»Hab’s dir gesagt.«
»Er hat alle möglichen Drohungen ausgestoßen.«
»Aber du bist feuerfest.«
»Gott sei Dank.«
»Hast du ihm von meinem Mann erzählt?«
Er zögerte. »Das sollte ich doch? Oder hast du’s dir anders überlegt?«
»Mit dem war’s nichts. Eine viel versprechende Spur, aber letztlich doch eine Sackgasse.«
»Nun, Willard ist deswegen zu dir unterwegs. Er ist vor zwei Stunden hier weggefahren. Er wird verdammt enttäuscht sein.«
»Klasse«, sagte ich.
»Was haben Sie vor?«, wollte Summer wissen.
»Was ist Willard?«, fragte ich. »Im Prinzip?«
»Ein Karrierist«, antwortete sie.
»Richtig«, sagte ich.
Auf dem Papier gibt’s bei der Army sechsundzwanzig verschiedene Dienstgrade. Ein Rekrut fängt als Gefreiter E1 an, und wenn er keine Dummheiten macht, wird er nach einem Jahr automatisch zum Gefreiten E2 und nach einem weiteren Jahr zum Gefreiten E3 befördert - unter Umständen sogar vorzeitig, wenn er etwas taugt. Über ihm reicht die Leiter bis zum Fünfsternegeneral der Army hinauf, obwohl es meines Wissens außer George Washington und Dwight D. Eisenhower niemand jemals so weit gebracht hatte. Zählte man den Sergeant Major E9 als drei einzelne Dienstgrade, um den Command Sergeant Major und den Sergeant Major of the Army unterzubringen, und berücksichtigte alle vier Dienstgrade von Warrant Officers, hatte ein Major wie ich sieben Sprossen über und achtzehn Sprossen unter sich und damit eine beträchtliche Erfahrung in Insubordination - in beiden Richtungen, nach oben und von unten, austeilend und einsteckend. Angesichts einer Million Menschen
auf siebenundzwanzig Leitersprossen stellte Insubordination eine wirkliche Kunst dar. Unbedingte Voraussetzung war jedoch, dass sie unter vier Augen stattfand.
Also schickte ich Summer weg und wartete allein auf Willard. Sie fing eine Diskussion darüber an, doch letztlich gelang es mir, sie davon zu überzeugen, dass einer von uns unter dem Radar bleiben sollte. Sie ging zu einem späten Abendessen in den O Club. Meine Sergeantin brachte mir Kaffee und ein Sandwich. Roastbeef und Schweizer Käse, Weißbrot, etwas Majo und Senf. Ein gutes Sandwich. Ich war bei der zweiten Tasse Kaffee, als Willard auf der Bildfläche erschien.
Er kam sofort herein. Ließ die Tür offen. Ich stand nicht auf. Grüßte nicht. Trank den Kaffee mit kleinen Schlucken weiter. Das tolerierte er wie erwartet. Er verhielt sich sehr taktisch. Seines Wissens hatte ich einen Verdächtigen, mit dem wir dem Columbia PD den Fall Brubaker aus der Hand nehmen und die Verbindung zwischen dem Kommandeur einer Eliteeinheit und kolumbianischen Dealern in einer Crackgasse kappen konnten. Daher war er bereit, sich freundschaftlich und großzügig zu geben. Er nahm mir gegenüber Platz und fing sofort an, an seiner Hose herumzuzupfen. Dabei setzte er ein Von-Mann-zu-Mann-Gesicht auf, als hätten wir gerade ein gemeinsames Erlebnis hinter uns.
»Wundervolle Fahrt von Jackson hierher«, begann er. »Großartige Straßen.«
Ich sagte nichts.
»Hab mir gerade einen schönen alten Pontiac GTO gekauft«, fuhr er fort. »Klasse Schlitten. Ich hab verchromte Zylinderköpfe und dicke Auspuffe angebaut. Geht ab wie die Feuerwehr.«
Ich sagte
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