08-Die Abschussliste
gelben Licht der Natriumdampflampen war nirgends ein Hinterhalt zu erkennen. Summer bog auf den Parkplatz ab und fuhr langsam eine große Schleife. Auf der weiten Fläche standen drei an gestrandete Wale erinnernde Sattelschlepper und einige alte Limousinen, die vermutlich von ihren Besitzern aufgegeben worden waren. Zwischen ihnen parkte ein alter Ford Pick-up mit einem Babysitz rechts vorn. Ich vermutete, dass er meiner Sergeantin gehörte.
Wir stellten den Chevy außer Sicht hinter der Bar ab und gingen über den Parkplatz zum Schnellrestaurant. Seine Fenster waren angelaufen. Drinnen brannte grelles weißes Neonlicht. Das Ganze erinnerte an ein Gemälde von Edward Hopper. Meine Sergeantin saß allein in einer der Sitznischen. Wir gingen hinein und gesellten uns zu ihr. Sie hob eine volle Tragetüte vom Boden und stellte sie neben sich auf die Bank.
»Das Wichtigste zuerst«, sagte sie.
Sie griff in die Tasche und zog eine Patrone heraus. Stellte sie aufrecht vor mich auf die Tischplatte. Das Ding war eine Neunmillimeterpatrone in Standardausführung. Ein NATO-Stahlmantelgeschoss. Für eine Pistole oder Maschinenpistole. Ins blanke Messing der Patronenhülse war ein einzelnes Wort geritzt. Ich griff nach der Patrone. Sah sie mir näher an. Das hastig und mit ungleichmäßigen Buchstaben eingekratzte Wort lautete Reacher .
»Eine Kugel mit meinem Namen drauf«, sagte ich.
»Von der Delta Force«, erklärte meine Sergeantin. »Gestern für Sie abgeliefert.«
»Von wem?«
»Von dem jungen Sergeanten mit dem Bart.«
»Reizend«, sagte ich. »Erinnern Sie mich daran, ihn in den Hintern zu treten.«
»Nehmen Sie das nicht auf die leichte Schulter. Sie sind verdammt wütend.«
»Sie verdächtigen den Falschen.«
»Können Sie das beweisen?«
Ich antwortete nicht gleich. Wissen und beweisen waren zwei Paar Stiefel. Ich steckte die Patrone ein und legte die Hände auf den Tisch.
»Ich denke schon«, sagte ich.
»Weißt du auch, wer Carbone ermordet hat?«, fragte Summer.
»Eines nach dem anderen«, gab ich zur Antwort.
»Hier ist Ihr Geld«, sagte meine Sergeantin. »Mehr konnte ich nicht auftreiben.«
Sie griff wieder in ihre Tragetüte und legte siebenundvierzig Dollar auf den Tisch.
»Danke«, sagte ich. »Okay, damit schulde ich Ihnen fünfzig. Drei Bucks Zinsen.«
»Zweiundfünfzig«, sagte sie. »Vergessen Sie den Babysitter nicht.«
»Was haben Sie noch mitgebracht?«
Sie zog einen ziehharmonikaförmig zusammengelegten Computerausdruck heraus. Die Seiten wiesen blassblaue Linien auf, waren vorgelocht und mit endlos vielen Zahlen bedruckt.
»Die Telefonaufzeichnungen«, sagte sie.
Dann reichte sie mir eine Gesprächsnotiz mit einer Telefonnummer, die mit 202 begann.
»Das Hotel Jefferson«, meinte sie.
Als Nächstes gab sie mir ein zusammengerolltes Fax.
»Major Marshalls Personalakte«, sagte sie.
Danach legte sie mir ein Army-Telefonbuch hin. Es war dick und grün und enthielt sämtliche Nummern unserer Stützpunkte und Einrichtungen in aller Welt. Anschließend zeigte sie mir ein weiteres zusammengerolltes Fax. Es enthielt die Ergebnisse
der Haus-zu-Haus-Befragung, die Detective Clark an Neujahr in Green Valley hatte durchführen lassen.
»Major Franz in Kalifornien hat mir gesagt, dass Sie die angefordert haben«, erklärte sie.
»Großartig«, erwiderte ich. »Danke. Vielen Dank für alles.«
Sie nickte. »Jetzt wissen Sie, dass ich besser bin als der Kerl, der tagsüber Dienst tut. Und das sagt hoffentlich jemand laut, wenn die Army anfängt, Personal abzubauen.«
»Ich sag’s ihnen.«
»Lieber nicht«, sagte sie. »Was von Ihnen kommt, nützt mir nichts. Sie sind dann tot oder im Gefängnis.«
»Sie haben mir eine Menge Material gebracht, also haben Sie mich noch nicht ganz abgeschrieben.«
Sie schwieg.
»Wo haben Vassell und Coomer ihren Wagen geparkt?«, fragte ich.
»Am vierten Januar? Das weiß niemand genau. Die erste Nachtpatrouille hat einen Dienstwagen gesehen, der mutterseelenallein in der hintersten Ecke des Parkplatzes rückwärts eingeparkt stand. Aber darauf ist nicht unbedingt Verlass. Er hat sich das Kennzeichen nicht angesehen, also ist’s keine positive Identifizierung. Und der zweiten Nachtpatrouille ist überhaupt kein Fahrzeug aufgefallen. Deshalb steht Aussage gegen Aussage.«
»Was hat der erste Mann genau gesehen?«
»Er spricht von einem Dienstwagen.«
»War das ein schwarzer Grand Marquis?«
»Irgendeine schwarze Limousine«, sagte er. »Aber
Weitere Kostenlose Bücher