08-Die Abschussliste
unsere Dienstwagen sind alle grün oder schwarz. Ein schwarzer Wagen ist nichts Besonderes.«
»Aber er war auffällig abseits geparkt.«
Sie nickte. »Ganz allein in der hintersten Ecke. Aber der zweite Mann kann das nicht bestätigen.«
»Wo befand sich Major Marshall am zweiten und dritten Januar?«
»Das war einfacher herauszufinden«, sagte sie. »Zwei Reisegutscheine.
Am zweiten Januar nach Frankfurt, am dritten hierher zurück.«
»Über Nacht nach Deutschland?«
Sie nickte erneut. »Hin und gleich wieder zurück.«
Wir saßen schweigend da. Der Mann hinter der Theke kam mit Notizblock und Bleistift an unseren Tisch. Nach einem Blick auf die Speisekarte und die siebenundvierzig Dollar auf dem Tisch bestellte ich für weniger als zwei Bucks Kaffee und Rührei. Summer verstand den Wink und bestellte Orangensaft und Biskuits. Sehr viel preiswerter konnten wir uns nicht ernähren, wenn wir bei Kräften bleiben wollten.
»Kann ich jetzt gehen?«, fragte meine Sergeantin.
Ich nickte. »Danke. Das meine ich ernst. Geben Sie Ihrem Kleinen einen Kuss von mir«, sagte ich.
Meine Sergeantin, nur Haut und Knochen, zäh wie Büffelleder, starrte mich an.
»Meine Mutter ist gerade gestorben«, ließ ich sie wissen. »Eines Tages wird Ihr Sohn sich an einen Morgen wie diesen erinnern.«
Sie nickte und ging zum Ausgang. Eine Minute später sahen wir sie in ihren Pick-up steigen und im Morgennebel davonfahren.
Ich schob den ganzen Papierkram ordentlich zusammen und begann mit Marshalls Personalakte. Das Fax war nicht besonders deutlich, aber noch lesbar. Die Akte enthielt wie üblich Unmengen von Informationen. Auf der ersten Seite las ich, dass Marshall am 17. September 1958 geboren war. Also war er einunddreißig Jahre alt. Er hatte keine Frau, keine Kinder. Auch keine Exfrau. Mit dem Militär verheiratet, vermutete ich. Er war einsdreiundneunzig groß und wog hundert Kilo. Das musste die Army wegen der richtigen Uniformgröße wissen. Und er war Rechtshänder. Auch das musste die Army wissen, weil Scharfschützengewehre mit Spanngriff für Rechtshänder ausgelegt sind. Linkshänder werden im Allgemeinen nicht als Scharfschützen
eingesetzt. Beim Militär wird man vom ersten Tag an in Schubladen gesteckt.
Ich blätterte um.
Marshall war in Sperryville, Virginia, geboren und hatte dort Kindergarten, Grundschule und Highschool besucht.
Ich lächelte. Summer sah mich fragend an. Ich trennte die Seiten, schob sie ihr hinüber und deutete auf die wichtigen Stellen. Dann legte ich ihr die Gesprächsnotiz mit der Telefonnummer des Hotels Jefferson hin.
»Geh mal telefonieren«, sagte ich.
Das Münztelefon hing in der Nähe des Ausgangs neben der Kasse. Ich sah, wie sie zwei Quarter einwarf, wählte, redete, wartete und wieder redete. Dann erneut wartete und zuhörte. Sie warf noch mal Münzen ein. Das Gespräch dauerte lange. Dann bedankte sie sich und hängte ein. Als sie an den Tisch zurückkam, wirkte sie grimmig zufrieden.
»Er hatte ein Zimmer«, teilte sie mir mit. »Er hat sie am Vortag selbst bestellt. Drei Zimmer, je eines für Vassell, Coomer und ihn. Und der Parkservice ist berechnet worden.«
»Hast du mit denen gesprochen?«
Sie nickte. »Er hatte einen schwarzen Mercury. Rein an Silvester kurz nach dem Mittagessen, wieder raus um zwanzig vor eins, wieder rein um zwanzig nach drei am selben Morgen, endgültig raus nach dem Frühstück am Neujahrstag.«
Ich blätterte in dem Papierstapel und fand das Fax von Detective Clark in Green Valley. Die Ergebnisse der Haus-zu-Haus-Befragung durch seine Leute. Die Befragten hatten ziemlich viele Autos gesehen. In der Neujahrsnacht waren massenhaft Leute zu Partys gefahren oder von dort gekommen. Jemand glaubte, kurz vor zwei Uhr ein Taxi in Mrs. Kramers Straße gesehen zu haben.
»Einen Grand Marquis könnte man mit einem Taxi verwechseln«, erklärte ich. »Du weißt, was ich meine - eine schmucklose schwarze Limousine, gepflegt, aber schon etwas älter, reichlich Meilen auf dem Tacho, die gleiche Form wie ein Crown Victoria.«
»Denkbar«, sagte Summer.
»Wahrscheinlich«, sagte ich.
Wir zahlten, ließen einen Dollar Trinkgeld liegen und zählten, was vom Darlehen meiner Sergeantin noch übrig war. Rechneten uns aus, dass wir weiter billig essen müssten, weil wir Geld für Benzin, Telefongespräche und andere Ausgaben brauchten.
»Wohin jetzt?«, fragte Summer.
»Über die Straße«, antwortete ich. »Ins Motel. Wir verkriechen uns den Tag
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