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08-Die Abschussliste

08-Die Abschussliste

Titel: 08-Die Abschussliste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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gab nichts zu sagen - außer dass wir uns eine unmögliche Aufgabe vorgenommen hatten. Und ich vermutete, dass keiner von uns das laut aussprechen wollte. Daher blieben wir schweigsam. Nahmen einfach das erstbeste Humvee und brausten los. Zur Abwechslung fuhr ich diesmal die Dreiminutenstrecke, die ich erst vor etwas über dreißig Stunden zurückgelegt hatte.
    Der Tagesmeilenzähler des Humvees zeigte genau anderthalb Meilen an, und seinem Kompass nach waren wir nach Südwesten unterwegs, als wir den Tatort erreichten. An mehreren Bäumen hingen noch Reste des Absperrbands, mit dem meine Leute den Tatort gesichert hatten. Wir parkten zehn Meter von der Straße entfernt und stiegen aus. Ich kletterte auf die Motorhaube und setzte mich aufs Dach über der Windschutzscheibe. Blickte erst nach Nordwesten, dann nach Südosten. Die Luft war kalt. Ich spürte eine leichte Brise. Die Landschaft wirkte braun und tot und endlos weit. Die Morgensonne schien blass und schwach.
    »Wohin war er unterwegs?«, rief ich.
    »Nordosten«, rief Summer zurück.
    Sie schien sich ihrer Sache ziemlich sicher zu sein.
    »Warum?«, rief ich.
    Sie kletterte ebenfalls auf die Motorhaube und setzte sich neben mich.
    »Er hatte ein Fahrzeug«, antwortete sie.

    »Wieso?«
    »Weil wir hier draußen keines gefunden haben. Und ich bezweifle, dass sie zu Fuß gegangen sind.«
    »Warum?«
    »Wären sie zu Fuß unterwegs gewesen, hätte die Tat sich näher am Ausgangspunkt ereignet. Wir sind hier mindestens eine halbe Stunde Fußweg von den Hauptgebäuden entfernt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie der Mörder ein Montier- oder ein Brecheisen eine halbe Stunde lang beim Nebeneinandergehen versteckt getragen haben soll. Mit dem Ding unter dem Mantel hätte er sich wie ein Roboter bewegt. Das wäre Carbone nicht entgangen. Also sind sie gefahren. Mit dem Wagen des Mörders. Er hatte die Waffe unter einer Jacke oder sonst etwas auf dem Rücksitz liegen. Vielleicht auch das Messer und den Joghurtbecher.«
    »Wo sind sie losgegangen?«
    »Spielt keine Rolle. Wichtig ist jetzt nur, welchen Rückweg der Mörder genommen hat. Und wenn er in einem Auto saß, ist er anschließend nicht in Richtung Zaun gefahren. Wir können voraussetzen, dass es darin keine Löcher gibt, durch die ein Auto passen würde. Vielleicht solche für Menschen oder Wild, aber kein Loch, durch das ein Geländewagen oder Truck geht.«
    »Okay«, sagte ich.
    »Er ist also zu den Hauptgebäuden zurückgefahren. Man kann einen Wagen nicht einfach irgendwo in der Pampa stehen lassen. Er hat die Straße genommen, den Wagen abgestellt und sich wieder seinen Geschäften gewidmet.«
    Ich nickte, betrachtete den westlichen Horizont vor mir. Drehte mich um und sah die Straße entlang nach Nordosten. In Richtung Haupttor. Anderthalb Meilen unbefestigter Straße. Ich stellte mir das aerodynamische Verhalten eines leeren Joghurtbechers vor. Dünner Kunststoff, becherförmig, mit lose flatterndem Deckel, der als Luftbremse wirkte. Ich stellte mir vor, wie ich einen warf. Er würde segeln, in der Luft zu taumeln beginnen und höchstens drei Meter weit fliegen. Anderthalb
Meilen Straße, ein drei Meter breiter Streifen auf der linken Seite, wo der Fahrer saß. Ich fühlte Millionen zu Tausenden zusammenschrumpfen. Dann wurden es wieder Milliarden.
    »Gute Nachrichten und schlechte«, sagte ich. »Ich glaube, Sie haben Recht, sodass sich das Suchgebiet um ungefähr neunundneunzig Prozent verkleinert. Vielleicht sogar mehr. Das ist gut.«
    »Aber?«
    »Hat er den Becher überhaupt weggeworfen, wenn er mit einem Fahrzeug unterwegs war?«
    Summer schwieg.
    »Er könnte ihn einfach in den Fußraum geworfen haben«, sagte ich. »Oder über die Lehne nach hinten.«
    »Nicht in einem Wagen der Fahrbereitschaft.«
    »Vielleicht schmiss er ihn in den nächsten Abfallbehälter, nachdem er geparkt hatte. Oder er hat ihn mit nach Hause genommen.«
    »Vielleicht. Die Chancen stehen fifty-fifty.«
    »Bestenfalls siebzig zu dreißig«, sagte ich.
    »Trotzdem sollten wir danach suchen.«
    Ich nickte, legte beide Handflächen auf den oberen Rahmen der Windschutzscheibe und sprang zu Boden.
     
    Wir hatten Januar, und die äußeren Voraussetzungen waren ziemlich gut. Der Februar wäre noch besser gewesen. Im gemäßigten Klima der nördlichen Erdhalbkugel stirbt die Vegetation im Februar praktisch ab. Sie wird so spärlich wie sonst nie. Aber der Januar war auch nicht schlecht. Das Unterholz trug kein Laub mehr, und der

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