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08-Die Abschussliste

08-Die Abschussliste

Titel: 08-Die Abschussliste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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rief sie. »Abteilung kehrt!«
    Wir tauschten erneut die Plätze und vereinbarten, alle Dreihundertmeterabschnitte umgekehrt abzusuchen: Wo Summer innen gegangen war, würde sie jetzt außen gehen, und anders herum. Dafür gab es keinen bestimmten Grund, außer dass unsere Perspektiven unterschiedlich waren und wir das Bedürfnis nach einem Wechsel hatten. Ich war gut dreißig Zentimeter größer als sie, was bedeutete, dass ich in alle Richtungen über dreißig Zentimeter weiter sehen konnte. Sie war dem Erdboden näher und behauptete, einen guten Blick für Details zu haben.
    Wir gingen langsam und in gleichmäßigem Tempo zurück.
    Nichts im ersten Abschnitt. Wir tauschten die Plätze. Ich hielt mich gut drei Meter vom Straßenrand entfernt. Suchte das Gelände links und rechts vor mir ab. Der Wind kam von vorn, und meine Augen begannen in der Kälte zu tränen. Ich vergrub meine Hände in den Jackentaschen.
    Auch im zweiten Abschnitt nichts. Wir wechselten erneut die Seiten. Ich ging anderthalb Meter vom Straßenrand entfernt parallel zur Straße weiter. Auch im dritten Abschnitt fanden wir nichts. Unterdessen stellte ich im Kopf eine kleine Überschlagsrechnung an. Bisher hatten wir einen fünf Meter breiten Streifen auf einer Länge von zweitausendfünfhundert Metern abgesucht. Das machte zwölftausendfünfhundert Quadratmeter: genau eineinviertel Hektar von insgesamt über fünfundzwanzigtausend Hektar. Also standen unsere Chancen ungefähr zwanzigtausend zu eins. Besser, als in die Stadt zu fahren und einen Dollar für ein Lotterielos auszugeben. Aber nicht viel besser.
    Wir gingen weiter. Der Wind frischte auf, und langsam wurde uns kalt. Wir sahen nichts.
    Dann entdeckte ich etwas.

    Es lag ziemlich weit rechts vor mir. Mindestens sechs Meter entfernt. Kein Joghurtbecher, sondern etwas anderes. Ich hätte es beinahe ignoriert, weil es außerhalb des Suchstreifens lag. Kein aerodynamisch schlecht geformtes leichtes Plastikteil hätte, aus einem Autofenster geworfen, so weit fliegen können. Deshalb nahmen meine Augen es zwar wahr, aber mein Gehirn verarbeitete diese Informationen sofort als nicht in Frage kommend.
    Und dann befasste es sich instinktiv doch damit.
    Weil es wie eine Schlange aussah. Das Stammhirn flüsterte Schlange!, und ich spürte kurz den Stich, den mir die Angst versetzte und dem meine Vorfahren während der Evolution ihr Überleben verdankten. Nach Bruchteilen einer Sekunde war alles wieder vorbei. Der moderne, gebildete Teil meines Verstands mischte sich ein und sagte: Im Januar gibt’s hier keine Schlangen, Kumpel. Viel zu kalt. Ich atmete aus, tat den nächsten Schritt und blieb aus reiner Neugier stehen, um nochmals hinzusehen.
    Im abgestorbenen Gras lag ein schwarzes, leicht gekrümmtes Etwas. Gürtel? Gartenschlauch? Aber es lag tiefer zwischen den steif gefrorenen braunen Halmen als ein aus Leder, Gewebe oder Gummi hergestellter Gegenstand. Es berührte praktisch ihre Wurzeln. Also musste es schwer sein; schwer auch deshalb, weil es so weit von der Straße weggeflogen war. Also bestand es aus Metall. Massiv, nicht hohl. Also war es mir nicht vertraut. Nur sehr wenige militärische Ausrüstungsgegenstände sind gekrümmt.
    Ich ging darauf zu. Kniete nieder.
    Vor mir lag ein Brecheisen.
    Ein schwarz lackiertes Brecheisen, an einem Ende dick mit Blut und Haaren verklebt.
     
    Ich blieb bei meinem Fund und schickte Summer los, damit sie das Humvee holte. Sie musste die ganze Strecke gejoggt sein, denn sie kam früher zurück als erwartet und war außer Atem.

    »Haben wir einen Asservatenbeutel?«, fragte ich.
    »Das ist kein Beweismittel«, erklärte sie. »Bei Ausbildungsunfällen gibt’s keine.«
    »Ich habe nicht die Absicht, das Ding einem Gericht vorzulegen«, sagte ich. »Ich will’s nur nicht anfassen, das ist alles. Meine Fingerabdrücke darauf könnten Willard auf verrückte Ideen bringen.«
    Sie sah im Fahrzeug nach.
    »Keine Asservatenbeutel«, meldete sie.
    Normalerweise lässt man äußerste Vorsicht walten, um zu verhindern, dass Beweismaterial durch fremde Fingerabdrücke, Haare oder Fasern verunreinigt wird, was die Ermittlungen möglicherweise in eine falsche Richtung lenkt. Macht man in dieser Beziehung Fehler, kann man sich von den Anklagevertretern einen Anschiss einhandeln. Aber diesmal war meine Motivation noch stärker, weil ich auch an Willard denken musste. Ging ich hier leichtsinnig vor, konnte ich hinter Gittern landen. Mittel, Motiv, Gelegenheit, meine

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