08-Die Abschussliste
Militärjuristen sein können.
Er nahm in einem Drehstuhl auf Rollen Platz und legte die Akte auf den Schreibtisch. Summer schloss die Tür und lehnte
sich dagegen. Ich stand in der Mitte des Raums und hielt das in der Schlinge hängende Brecheisen hoch. Wir warteten ab, wer den Eröffnungszug machen würde.
»Carbones Tod war ein Dienstunfall«, begann der Arzt, als bewege er seinen ersten Bauern zwei Felder nach vorn.
Ich nickte.
»Keine Frage«, sagte ich, als zöge ich mit meinem ersten Bauern nach.
»Freut mich, dass wir uns darüber einig sind«, meinte er.
Aber das sagte er in einem Tonfall, der Wer soll diesen Scheiß glauben? besagte.
Ich hörte Summer aufatmen, weil wir jetzt einen Verbündeten hatten - aber einen, der auf Distanz achtete und sich hinter einer umständlichen Scharade verbarg. Doch das konnte ich ihm nicht einmal verübeln. Er schuldete der Army, die seine Ausbildung finanziert hatte, noch etliche Dienstjahre. Deshalb war er vorsichtig. Ein Verbündeter, dessen Wünsche wir respektieren mussten.
»Carbone ist gestürzt, hat sich den Kopf angeschlagen«, sagte ich. »Der Fall ist abgeschlossen. Ein Unfall, für alle Betroffenen sehr bedauerlich.«
»Aber?«
Ich hielt die Brechstange etwas höher.
»Ich vermute, dass er sich hieran den Kopf angeschlagen hat.«
»Dreimal?«
»Vielleicht ist er abgeprallt. Vielleicht haben unter dem Laub abgestorbene Zweige gelegen, die den Boden in ein Trampolin verwandelten.«
Der Arzt nickte. »Stimmt, so kann der Boden um diese Jahreszeit sein.«
»Tödlich«, sagte ich.
Ich ließ das Brecheisen wieder sinken. Wartete.
»Wozu haben Sie’s mitgebracht?«, fragte der Pathologe.
»Vielleicht hat jemand durch Fahrlässigkeit zu diesem Unfall beigetragen«, antwortete ich. »Wer das Brecheisen so hat herumliegen
lassen, dass Carbone darauf fallen konnte, müsste vielleicht verwarnt werden.«
Der Mediziner nickte erneut. »Wer Abfälle wegwirft, macht sich strafbar.«
»Bei uns in der Army«, fügte ich hinzu.
»Was erwarten Sie von mir?«
»Nichts«, sagte ich. »Wir sind hier, um Ihnen einen Gefallen zu tun, das ist alles. Nachdem der Fall abgeschlossen ist, wollen Sie die von Ihnen angefertigten Gipsabgüsse bestimmt nicht länger herumliegen haben. Von den Schädelverletzungen. Wir wollten Ihnen anbieten, sie für Sie zu entsorgen.«
Der Arzt nickte zum dritten Mal.
»Das könnten Sie«, erwiderte er. »Das würde mir eine Fahrt ersparen.«
Er machte eine längere Pause. Dann nahm er die Akte vom Schreibtisch, zog einige Schubladen auf und bedeckte die Schreibtischplatte mit sauberem weißem Papier, auf das er ein halbes Dutzend Objektträger aus Glas legte.
»Dieses Ding sieht schwer aus«, sagte er.
»Es ist schwer«, bestätigte ich.
»Vielleicht sollten Sie’s aus der Hand legen. Ihre Schulter entlasten.«
»Ist das ein ärztlicher Rat?«
»Sie wollen sich keine Zerrung holen.«
»Wo sollte ich’s ablegen?«
»Auf jede flache Unterlage, die Sie finden können.«
Ich trat vor und legte das Brecheisen vorsichtig auf seinen Schreibtisch, auf das Papier und die Glasstreifen. Hakte den Schnürsenkel aus, knotete ihn auf, ging in die Hocke und zog ihn wieder durch alle Ösen. Straffte ihn und band eine Schleife. Als ich wieder aufsah, griff der Pathologe gerade nach einem Objektträger. Er hielt ihn in der Hand und kratzte damit über das Ende des Brecheisens, an dem Blut und Haare klebten.
»Verdammt«, sagte er. »Ich habe das Glas ganz schmutzig gemacht. Sehr nachlässig von mir.«
Er machte den gleichen Fehler mit fünf weiteren Objektträgern.
»Sind wir an Fingerabdrücken interessiert?«, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf. »Wir rechnen mit Handschuhen.«
»Wir sollten trotzdem nachsehen, finde ich. Mitverschulden ist eine ernste Sache.«
Er öffnete eine weitere Schublade, zog einen Latexhandschuh aus einer Box und streifte ihn über seine rechte Hand. Dabei entstand eine kleine Wolke aus Talkumpuder. Dann nahm er das Brecheisen vom Schreibtisch und ging damit hinaus.
Er kam nach weniger als zehn Minuten zurück. Den Latexhandschuh trug er noch immer. Das Brecheisen, dessen schwarzer Lack glänzte, war sauber abgewaschen und von einem neuen Werkzeug nicht zu unterscheiden.
»Keine Fingerabdrücke«, teilte er uns mit.
Er legte das Brecheisen auf seinen Stuhl, zog erneut eine Schublade auf und holte eine schlichte braune Pappschachtel heraus. Nahm den Deckel ab und entnahm ihr zwei kreideweiße
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