08-Die Abschussliste
Gipsabdrücke. Beide waren etwa fünfzehn Zentimeter lang und auf der Unterseite mit dem Namen Carbone beschriftet. Einer stellte einen Positivabdruck dar, der entstand, als feuchter Gips in die Wunde gedrückt wurde. Der andere war ein Negativabdruck, der sich bildete, als man die Positivform in ein Gipsbett drückte. Da das Negativ die Form der von der Tatwaffe zurückgelassenen Wunde zeigte, entsprach die Form des Positivs der Tatwaffe selbst.
Der Mediziner legte das Positiv neben das Brecheisen auf den Stuhl. Richtete sie nebeneinander aus. Der spannenlange weiße Abdruck wies zahlreiche kleine Grübchen auf, aber ansonsten entsprach er genau dem glatten schwarzen Stahl. Absolut identisch. Gleicher Querschnitt, gleicher Durchmesser, gleiche Umrisse.
Dann legte der Pathologe das Negativ auf den Schreibtisch. Es war etwas größer als das Positiv und weniger klar definiert.
Es gab genau Carbones zertrümmerten Hinterkopf wieder. Der Arzt griff nach dem Brecheisen, wog es prüfend in der Hand. Holte versuchsweise wie zum Schlag aus. Ließ es ganz langsam sinken, eins, um den ersten Schlag, dann zwei, um den nächsten darzustellen. Dann drei, um den letzten Schlag zu simulieren, bei dem er den Gipsabguss berührte. Die dritte und letzte Wunde war am klarsten definiert. Im Gips zeichnete sich eine gut zwei Zentimeter lange Vertiefung ab, in die das Brecheisen genau hineinpasste.
»Das Blut und die Haare untersuche ich noch«, sagte der Arzt. »Nicht dass wir nicht längst wüssten, wie das Ergebnis lauten wird.«
Er nahm das Brecheisen aus der Vertiefung und wiederholte seinen Versuch. Der Stahl passte genau hinein. Er hob ihn heraus und wog ihn nachdenklich in den Händen. Dann packte er das weniger gekrümmte Ende und schwang das Brecheisen wie ein Batter, der einen hohen, schnellen Ball treffen will. Das wiederholte er noch energischer, führte einen kompakten, heftigen Schlag aus. In seinen Händen sah das Brecheisen riesig aus. Zu groß und etwas zu schwer. Nicht hundertprozentig beherrschbar.
»Sehr starker Mann«, sagte er. »Gewaltiger Schlag. Ein großer, kräftiger Kerl, Rechtshänder, körperlich sehr fit. Aber das trifft auf viele der hier stationierten Leute zu, glaube ich.«
»Es hat keinen Kerl gegeben«, entgegnete ich. »Carbone ist gestürzt und auf den Hinterkopf gefallen.«
Der Pathologe lächelte flüchtig, wog das Brecheisen wieder in beiden Händen.
»Es ist auf seine Weise attraktiv«, meinte er. »Klingt das merkwürdig?«
Ich wusste genau, was er meinte. Es war ein schönes Stück Stahl. Wie ein Colt Detective Special, ein K-bar oder ein Kakerlak.
Er schob es in eine lange Stahlschublade. Die Metalle scharrten aufeinander.
»Ich nehme es in Verwahrung«, sagte er. »Wenn Sie möchten. Das ist sicherer.«
»Okay«, sagte ich.
Er schloss die Schublade.
»Sind Sie Rechtshänder?«, fragte er mich.
»Ja«, antwortete ich. »Warum?«
»Oberst Willard hat mir erzählt, dass Sie der Täter waren«, erklärte er. »Aber ich habe ihm nicht geglaubt.«
»Weshalb nicht?«
»Sie waren sehr überrascht, als Sie erkannten, wer der Tote war. Als ich sein Gesicht wieder hochklappte. Sie ließen eine eindeutige physische Reaktion erkennen. So was kann man nicht simulieren.«
»Haben Sie Willard das gesagt?«
Der Pathologe nickte. »Es hat ihm nicht gepasst. Aber ich konnte ihn nicht wirklich von seiner Ansicht abbringen. Und ich wette, dass er sich schon eine Theorie zurechtgelegt hat, mit der er das wegerklären kann.«
»Ich werde mich vorsehen«, sagte ich.
»Auch ein paar Sergeanten von der Delta Force waren bei mir. Man hört alle möglichen Gerüchte. Ich glaube, Sie sollten sich sehr vorsehen.«
»Das werde ich«, sagte ich.
»Sehr vorsehen«, wiederholte der Arzt.
Summer und ich stiegen wieder in das Humvee. Sie ließ den Motor an, legte den ersten Gang ein und wartete mit dem rechten Fuß auf der Bremse.
»Versorgungsdepot«, sagte ich.
»Es war kein militärischer Ausrüstungsgegenstand«, meinte sie.
»Es hat teuer ausgesehen«, sagte ich. »Vielleicht teuer genug, um vom Pentagon beschafft zu werden.«
»Es wäre olivgrün gewesen.«
Ich nickte. »Wahrscheinlich. Trotzdem sollten wir’s kontrollieren.
Früher oder später müssen wir alles auf die Reihe kriegen.«
Sie nahm den Fuß von der Bremse und fuhr in Richtung Versorgungsdepot. Da sie schon viel länger als ich in Bird Dienst tat, wusste sie genau, wo alles lag. Wir parkten vor einer Lagerhalle des
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