08 - Ehrenschuld
diese Weise einige
hundert Aufnahmen von der Raketenfertigungsstraße. Dem Rumpf nach zu
urteilen, mußten es SS-19 sein, das war sonnenklar. Clark kannte die
Abmessungen, und er hatte in Langley genügend Fotos gesehen, um das zu
erkennen - aber nicht genügend, um gewisse Abwandlungen zu entdecken.
Die russischen Vorbilder waren gewöhnlich grün gestrichen. Alles, was die
Sowjetunion für militärische Zwecke produziert hatte, mußte getarnt sein,
sogar Raketen, die in Transportbehältern steckten, die sich ihrerseits tief in
Betonsilos befanden, waren in dem Erbsensuppengrün gehalten, mit dem sie
ihre Panzer anzustreichen pflegten. Hier war das anders. Farbe hatte
Gewicht, und es hatte keinen Sinn, Treibstoff dafür zu verwenden, um ein
paar Kilo Farbe auf eine suborbitale Geschwindigkeit zu beschleunigen, und
so waren diese Raketenrümpfe aus hellem, schimmerndem Stahl. Die Armaturen und Verbindungen wirkten viel feiner, als er es bei einem
russischen Produkt erwartet hätte.
»Sie haben unsere Originalkonstruktion modifiziert, stimmt's?« »Stimmt.« Der PR-Mensch lächelte. »Die Grundkonstruktion war
hervorragend. Unsere Ingenieure waren sehr beeindruckt, aber wir haben
andere Normen und bessere Materialien. Sie haben gute Augen, Mr. Klerk.
Vor nicht allzu langer Zeit hat ein amerikanischer NASA-Ingenieur dieselbe
Beobachtung gemacht.« Nach einer Pause fuhr er fort: »Was für ein
russischer Name ist eigentlich Klerk?«
»Das ist nicht russisch«, sagte Clark, während er sich weiter Notizen
machte. »Mein Großvater war ein englischer Kommunist. Er hieß Clark. Er
ging in den zwanziger Jahren nach Rußland, um an dem neuen Experiment
teilzunehmen.« Ein verlegenes Lächeln. »Ich glaube, er ist enttäuscht, wo
immer er jetzt sein mag.«
»Und Ihr Kollege?«
»Tschechow? Der stammt von der Krim. Die tartarische Abstammung
sieht man ihm wirklich an, nicht wahr? Wie viele werden Sie denn von
diesen Dingern bauen?«
Chavez stand am vorderen Teil eines Raketenrumpfes am Ende der
Fertigungsstraße. Einige der Montagearbeiter blickten verärgert zu ihm hin,
was zeigte, daß er einen aufdringlichen, nervenden Journalisten ganz gut
markierte. Davon abgesehen, war die Sache ziemlich einfach. Die
Montagehalle war hell erleuchtet, um den Arbeitern ihre Aufgabe zu
erleichtern, und wenn er auch zum Schein seinen Beleuchtungsmesser
benutzte, wußte er doch schon anhand des eingebauten Kontrollchips, daß
das Licht völlig ausreichte. Diese Nikon F-20 war schon eine sagenhafte
Kamera. Ding wechselte den Film. Er benutzte einen ASA-64-Farbdiafilm
von Fuji, natürlich -, weil er eine bessere Farbsättigung hatte, was immer
das sein mochte.
Irgendwann schüttelte Clark dem Vertreter der Fabrik die Hand, und sie
strebten gemeinsam zum Tor. Chavez - Tschechow schraubte das Objektiv
von der Kamera und verstaute alles in seiner Tasche. Mit freundlichem
Lächeln und vielen Verbeugungen wurden sie verabschiedet. Ding schob
eine CD in den Player und drehte die Lautsprecher voll auf. Das erschwerte
die Verständigung, aber John nahm es mit den Regeln immer ganz genau.
Und er hatte recht. Man konnte nicht wissen, ob nicht jemand ihren Mietwagen verwanzt hatte. Chavez beugte sich nach rechts herüber, um
nicht schreien zu müssen.
»John, ist es immer so einfach?«
Clark mußte lächeln, aber er blieb ernst. Vor einigen Stunden hatte er
ein weiteres Mitglied von THISTLE reaktiviert, das darauf bestanden hatte, er
und Ding müßten sich unbedingt diese Montagehalle ansehen. »Weißt du, ich bin früher oft nach Rußland gefahren, damals, als es
nicht bloß genügte, einen Paß und Reiseschecks von American Express
mitzunehmen.«
»Was haben Sie gemacht?«
»Hauptsächlich Leute rausgeholt. Gelegentlich Datenpakete geborgen.
Ein paar Mal habe ich hübsche kleine Geräte installiert. War schon
unheimlich.« Clark schüttelte den Kopf. Nur seine Frau wußte, daß er sich
die Haare färbte, bloß ein bißchen, weil er die grauen Strähnen nicht
mochte. »Was glaubst du, was wir dafür gegeben hätten, nach - ich glaube,
es hieß Plessezk - hineinzukommen, wo sie diese Dinger bauten, das
Tschelomei-Konstruktionsbüro.«
»Sie haben uns richtig gedrängt, uns dieses Zeug anzugucken.« »Hast völlig recht«, stimmte Clark ihm zu.
»Was mache ich mit den Fotos?«
John hätte beinahe gesagt, er solle sie wegwerfen, aber es waren
schließlich Daten, und sie waren im Auftrag der Firma unterwegs. Um seine
Tarnung aufrechtzuerhalten, mußte er
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