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08 - Ehrenschuld

08 - Ehrenschuld

Titel: 08 - Ehrenschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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herrschte eine andere Stimmung. Die Blicke waren zorniger, und wenngleich sie höflicher wurden, sobald er sich als Nichtamerikaner zu erkennen gab, blieb doch ein Mißtrauen, und die Antworten auf seine Fragen, sofern er Antworten erhielt, waren nicht so behutsam wie die, die er zuvor bekommen hatte.
    Irgendwann zogen die Leute ab, ihre Vorgesetzten voraus und eskortiert von der Polizei, zu einem Platz, auf dem eine Bühne errichtet worden war. Hier sollten die Dinge einen anderen Verlauf nehmen.
    Hiroshi Goto ließ sich Zeit, und die Wartezeit wurde ihnen lang, obwohl man ihnen von Kindheit an beigebracht hatte, sich zu gedulden. Er trat würdevoll auf die Bühne und nahm zur Kenntnis, daß sein offizielles Gefolge bereits zugegen war, auf Stuhlreihen im Hintergrund der Bühne. Die Fernsehkameras waren einsatzbereit, und es galt nur noch zu warten, bis alle sich dicht um die Bühne geschart hatten. Aber auch dann wartete er weiterhin, stand da und starrte in die Menge, die sich durch sein Nichtstun nur noch dichter zusammendrängte, und durch das Warten stieg die Spannung noch.
    Clark spürte es jetzt. Vielleicht mußte ihn dies alles befremden. Die Menschen um ihn herum waren hochzivilisiert, gehörten einer Gesellschaft an, deren Ordnungssinn fast widernatürlich war, deren sanfte Manieren und großzügige Gastfreundlichkeit einen grellen Kontrast zu ihrem Argwohn gegenüber Fremden bildete. Clarks Furcht begann als ein fernes Geflüster, eine Warnung, daß irgend etwas anders wurde, obwohl seine bewährte Beobachtungsgabe nichts anderes wahrnahm als das übliche Gerede von Politikern, das sich von einem Land zum anderen gleicht. Er, der in Vietnam gekämpft und größere Gefahren in allen möglichen Ländern bestanden hatte, war wieder ein Fremder in einem fremden Land, doch sein Alter und seine Erfahrung arbeiteten gegen ihn. Sogar die Zornigen mitten in der Menge waren gar nicht so schlimm gewesen - konnte man von einem Mann, der gerade entlassen worden war, vielleicht erwarten, daß er fröhlich und friedlich war? Also eigentlich doch kein Grund zur Aufregung, oder?
    Doch das Flüstern wurde lauter, während Goto einen Schluck Wasser nahm und sie weiter warten ließ, sie zu sich heranwinkte, obwohl man sich fast schon auf die Füße trat. Wie viele mochten es sein? Zehn-, fünfzehntausend? fragte sich John. Die Menge wurde auf einmal mucksmäuschenstill, und den Grund erkannte er bald. Die Männer am Rand trugen Armbinden über ihren Anzugjacken verflixt, dachte John, das war ihre Uniform. Die gewöhnlichen Arbeiter würden sich denen, die wie Vorgesetzte gekleidet waren und entsprechend auftraten, automatisch unterwerfen, und die Armbinden bewirkten, daß sie sich noch dichter zusammendrängten. Es hatte möglicherweise noch ein anderes Zeichen gegeben, das sie verstummen ließ, aber das mußte Clark entgangen sein.
    Goto begann mit leisen Worten, was die Menge vollends still werden ließ. Instinktiv reckten alle die Köpfe vor, um mitzubekommen, was er sagte.
    Verdammt, hätten wir doch bloß mehr Zeit gehabt, die Sprache zu erlernen, dachten die beiden CIA-Agenten. Ding hatte, wie sein Partner bemerkte, kapiert, worauf es ankam: Er wechselte das Objektiv und versuchte, einzelne Gesichter einzufangen.
    »Sie werden nervös«, bemerkte Chavez leise auf russisch, den Ausdruck auf den Gesichtern interpretierend.
Clark entnahm es ihrer Körpersprache im weiteren Verlauf von Gotos Rede. Nur gelegentlich verstand er ein Wort, vor allem die nichtssagenden Dinge, die es in allen Sprachen gibt, die rhetorischen Kniffe, deren sich Politiker bedienen, um Bescheidenheit und Respekt vor ihren Zuhörern zum Ausdruck zu bringen. Der erste Begeisterungssturm brach für ihn überraschend los, und die Zuhörer standen so dichtgedrängt, daß sie beim Applaudieren einander anstießen. Sein Blick schweifte zu Goto. Es war zu weit. Clark langte aus Dings Tasche eine Kamera mit einem langen Objektiv, durch das er besser verfolgen konnte, was sich auf dem Gesicht des Redners abspielte, wenn ihm die Zustimmung der Masse entgegenflog und er abwartete, daß der Beifall verebbte, um seine Rede fortzusetzen.
Wir haben die Menge wirklich im Griff, nicht wahr?
Clark sah, daß er es zu verbergen suchte, aber er war ein Politiker, und mochten sie auch gute schauspielerische Fähigkeiten haben, so waren sie doch noch gieriger auf den Beifall ihrer Zuhörer als jene, die sich ihren Lebensunterhalt vor der Kamera verdienten. Gotos Gebärden

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