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08 - Ehrenschuld

08 - Ehrenschuld

Titel: 08 - Ehrenschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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müssen, das waren keine angenehmen Erinnerungen. Die Szene hier erinnerte ihn ein wenig an damals.
    Die amerikanische Botschaft nahm es nicht allzu ernst. Man versuchte irgendwie, Normalität vorzuspielen, die Botschaftsangestellten waren alle innerhalb des Gebäudes - ein weiteres Beispiel häßlicher Modernität, das in diesem Fall dem Ocura-Hotel gegenüberlag. Man hatte es doch mit einem zivilisierten Land zu tun, nicht wahr? Die Polizei hatte ausreichende Sicherheitskräfte vor dem Zaun zusammengezogen, und die Demonstranten schienen, mochten sie sich auch lautstark gebärden, doch nicht von dem Schlage zu sein, der die streng dreinblickenden Bullen, die rings um das Gebäude verteilt waren, angegriffen hätte. Doch die Leute auf der Straße waren keine Jugendlichen, keine Studenten, die sich einen Tag freinahmen komisch, die Medien sagten nie ein Wort darüber, daß so viele dieser Studentendemonstrationen zeitlich mit den Prüfungen am Semesterende zusammenfielen, ein weltweites Phänomen. Diese Leute hier waren zumeist in den Dreißigern und Vierzigern, und deshalb klangen die Sprechchöre nicht ganz echt. Sie hatten etwas merkwürdig Gedämpftes. Es war ihnen peinlich, hier zu stehen, es brachte sie ein bißchen durcheinander, sie wirkten eher gekränkt als wütend, dachte er, während Chavez seine Bilder schoß. Aber es waren schon viele, und das Ausmaß ihrer Kränkung war groß. Irgend jemandem mußten sie die Schuld daran geben denen da, die immer schuld waren, wenn etwas schiefging. Diese Sicht der Dinge war eigentlich nichts typisch Japanisches, oder?
    Die Sache war, wie alles in Japan, straff organisiert. Die Leute waren als formierte Gruppen, die jeweils ihre Anführer hatten, mit überfüllten Pendlerzügen angereist, waren am Bahnhof in Busse gestiegen und nur ein paar Straßen weiter abgesetzt worden. Wer hatte die Busse gemietet? fragte sich Clark. Wer hatte die Plakate gedruckt? Erst allmählich ging ihm auf, daß die Inschriften sprachlich völlig korrekt waren, und das war das merkwürdige. Zwar hatten die Japaner vielfach einen guten Englischunterricht genossen, aber wenn es darum ging, sich in der fremden Sprache auszudrücken, machten Japaner erwartungsgemäß Schnitzer, besonders bei Parolen. Am Morgen hatte er einen jungen Mann mit einem T-Shirt gesehen, auf dem »Inspire in Paradise« stand, was wohl exakt einen bestimmten japanischen Gedanken wiedergab und doch nur wieder ein Beispiel dafür war, daß keine Sprache sich genau in eine andere übersetzen läßt. Doch auf diesen Plakaten stimmte die Syntax einwandfrei, sie war besser als so manches, was er auf einer amerikanischen Demonstration zu sehen bekommen hatte. War das nicht eigenartig?
Ach t was geht mich das an, dachte er. Ich bin Journalist, klar? »Entschuldigung«, sagte John und berührte einen Mann im mittleren
    Alter am Arm.
»Ja?« Der Mann dreht sich erstaunt um. Er war ordentlich gekleidet,
trug einen dunklen Anzug, und die Krawatte über seinem weißen Hemd war
säuberlich gebunden. In seinem Gesicht stand weder Zorn noch sonst eine
Emotion, die der vorherrschenden Stimmung entsprochen hätte. »Wer sind
Sie?«
»Ich bin ein russischer Journalist, für die Nachrichtenagentur Interfax«,
sagte Clark und zeigte einen Ausweis in kyrillischer Schrift vor. »Ah.« Der Mann lächelte und machte eine höfliche Verbeugung. Clark
erwiderte die Geste korrekt, was ihm einen anerkennenden Blick für seine
guten Manieren eintrug.
»Dürfte ich Ihnen einige Fragen stellen?«
»Gewiß.« Es schien für den Mann fast eine Erleichterung zu sein, daß er
nicht mehr brüllen mußte. Er war, wie sich herausstellte, siebenunddreißig,
verheiratet, ein Kind, Angestellter einer Autofirma, vor kurzem entlassen
worden und im Augenblick sehr empört über Amerika - aber ganz und gar
nicht unzufrieden mit Rußland, wie er eilig hinzufügte.
Das Ganze ist ihm peinlich, dachte John und dankte dem Mann für seine
Meinungsäußerung.
»Worum ging's?« fragte Chavez leise hinter seiner Kamera hervor. »Russkij«, erwiderte »Klerk« scharf.
»Da, towarischtsch.«
    »Folge mir«, sagte »Iwan Sergejewitsch« sodann und drängte sich in das Gewühl. Da war noch irgend etwas sonderbar, dachte er, aber was, konnte er nicht sagen. Als sie zehn Meter in die Menge vorgedrungen waren, ging es ihm auf. Die Leute am Rand der Menge waren Vorgesetzte. Den Kern bildeten Arbeiter, nachlässiger gekleidet, Leute, die nicht soviel Würde zu verlieren hatten. Hier

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