08 - Ehrenschuld
langsam.
»All die Leute brauchen ihren Freunden im Kongreß nur zu erzählen,
daß das, was wir machen, gute wissenschaftliche Arbeit ist, daß wir
nützliche Arbeit leisten. Was ich euch gebe, ist eine Mission für die
nächsten zehn Jahre.« Jones gab gleichzeitig seiner Firma Arbeit für
mindestens dieselbe Zeit, aber das stand auf einem anderen Blatt. Mancuso
und die U-Boot-Fahrer brauchten die Arbeit. »Im übrigen habe ich ihnen
gern zugehört, als wir auf der Dallas waren.«
»Signal von Asheville«, meldete ein Fernmeldespezialist von der Tür
her. »Sie haben ihr Ziel aufgefaßt.«
»Na ja, sie sind schon ziemlich gut«, sagte Jones mit einem Blick auf
den Plot. »Aber wir sind immer noch die Größten.«
Air Force One schwebte eine Minute zu früh zu der üblichen sanften Landung auf dem Flughafen Scheremetjewo ein. Alle seufzten erleichtert, als die Schubumkehr einsetzte und das schwere Flugzeug rasch abbremste. Bald hörte man überall die Gurte aufklicken.
»Weshalb bist du so früh geweckt worden?« fragte Cathy ihren Mann. »Politische Probleme zu Hause. Ich denke, jetzt kann ich's dir sagen.« Ryan fing an, ihr die Dinge zu erklären, als ihm einfiel, daß er noch das gefaltete Fax in der Tasche hatte. Er reichte es ihr mit dem Hinweis, daß nicht alles stimmte.
»Ich fand ihn immer schleimig.« Sie gab es ihm zurück.
»Erinnerst du dich denn nicht, daß er mal das Gewissen des Kongresses war?« fragte Jack leise.
»Das mag er gewesen sein, aber ich habe nie geglaubt, daß er selbst eins hat.«
»Du mußt bloß aufpassen ...«
»Wenn mich jemand fragt, bin ich Chirurgin, und ich bin hier, um meine russischen Kollegen zu besuchen und ein bißchen Sightseeing zu machen.« Was ganz der Wahrheit entsprach. Der Staatsbesuch würde Ryan in seiner Eigenschaft als engen Berater des Präsidenten zeitlich stark in Anspruch nehmen. Aber so viel anders als bei einem normalen Familienurlaub war das gar nicht. Was Besichtigungen betraf, stimmten ihre Geschmäcker teilweise überein, deckten sich aber nicht, und Cathy wußte, daß ihr Mann Shopping in jeder Form verabscheute. Das war eine seltsame Eigenart der Männer im allgemeinen und ihres Mannes im besonderen.
Das Flugzeug schwenkte auf die Rollbahn ein, und die Dinge kamen in Bewegung. Der Präsident und Mrs. Durling traten aus ihrem Abteil, ganz dafür gerüstet, sich als Verkörperung ihres Landes zu präsentieren. Man blieb auf den Plätzen, um sie vorbeizulassen, wozu sicherlich die einschüchternde Präsenz von Secret-Service- und Air-ForceSicherheitskräften beitrug.
»Kein leichter Job«, hauchte Ryan, als er sah, wie der Präsident eine fröhliche Miene aufsetzte, wußte er doch, daß es zumindest teilweise geheuchelt war. Er hatte so vieles zu tun, und immer mußte er den Eindruck erwecken, als sei es das einzige, was er zu tun hatte. Er mußte für alles eine Schublade haben, und wenn er sich einer Aufgabe widmete, mußte er so tun, als gäbe es die anderen nicht. Möglicherweise wie Cathy und ihre Patienten. War das nicht ein interessanter Gedanke? Als die Tür aufging, hörten sie eine Musikkapelle die hiesige Version von »Ruffles and Flourishes« spielen.
»Jetzt können wir, glaube ich, aufstehen.«
Die protokollarischen Fragen waren geklärt. Alles hing an den Fenstern und beobachtete, wie der Präsident am Fuß der Treppe ankam und dem neuen russischen Präsidenten sowie dem amerikanischen Botschafter die Hand schüttelte. Jetzt erst ging der Rest des offiziellen Gefolges die Treppe hinunter, während die Presse über die achtere Tür das Flugzeug verließ.
Es war ganz anders als bei Ryans letztem Flug nach Moskau. Der Flughafen war derselbe, doch die Tageszeit, das Wetter und die ganze Atmosphäre hätten nicht verschiedener sein können. Es genügte ein Gesicht, um das klarzumachen. Es war das von Sergej Nikolajewitsch Golowko, dem Vorsitzenden des russischen Auslandsnachrichtendienstes, der hinter der ersten Reihe der Würdenträger stand. In den alten Zeiten hätte er sein Gesicht überhaupt nicht gezeigt, doch jetzt richteten sich seine blauen Augen direkt auf Ryan, und sie strahlten vor Freude, als Jack seine Frau die Treppe hinunter und zu ihrem Platz am Boden begleitete.
Die ersten Anzeichen waren ein bißchen furchterregend, wie es nicht selten der Fall war, wenn politische Faktoren mit den wirtschaftlichen Kräften aneinandergerieten. Die Gewerkschaften ließen ihre Muskeln spielen und zum ersten Mal seit Jahren auf intelligente
Weitere Kostenlose Bücher