08 - Ehrenschuld
während der Fahrt von New Jersey und Connecticut sehr gern anhörte.
»Ein urheberrechtlich geschützter Artikel in der Washington Post von heute morgen ...« So hieß es zu Beginn jeder Stunde mit einer Einleitung, die einer Warnglocke glich, um die Aufmerksamkeit der Hörer zu erregen. Politische Berichte aus Washington rauschten gewöhnlich an einem vorbei wie die Wetterberichte, aber Wörter wie »Vergewaltigung« und »Selbstmord« waren nicht zu überhören. »Scheiße«, stöhnte es gleichzeitig in an die tausend teuren Limousinen. Was wird noch passieren? Der Markt hatte sich noch nicht wieder gefestigt, und solche Dinge würden bestimmt einen Abwärtstrend auslösen, der wirtschaftlich nicht begründet, aber dennoch so real war, daß jeder wußte, daß es passieren würde, und sich deshalb darauf einstellte, was ihn wiederum nur noch realer machte, in einem Mechanismus, den die Computertechniker Feedback nannten. Heute würde der Markt erneut nachgeben. An elf von den letzten vierzehn Tagen hatte er schwach tendiert, und obwohl eine Fülle von Termingeschäften den Dow rein theoretisch stützen mußte, würden die kleinen Anleger ihre nervösen Verkaufsorders geben, und die Investmentfonds, von den Anrufen von noch mehr kleinen Anlegern getrieben, würden dasselbe tun und eine total künstliche Situation institutionell verstärken. Man bezeichnete das ganze System als wahre Demokratie, aber wenn es das war, dann war auch eine durchgehende Rinderherde eine Demokratie.
»Okay, Arnie.« Präsident Durling wollte gar nicht erst wissen, wer es ausgeplaudert hatte. Er kannte sich hinreichend in dem Spiel aus, um zu wissen, daß es darauf nicht ankam. »Was machen wir?«
»Ich habe mit Bob Holtzman gesprochen«, erklärte Ryan dem Boß auf einen stummen Wink des Stabschefs hin.
»Und?«
»Und ich denke, daß er mir glaubt. Habe ich ihm etwa nicht die Wahrheit gesagt?« Es war wirklich eine Frage, nicht bloß eine rhetorische Floskel.
»Ja, das haben Sie, Jack. Ed wird alleine damit fertig werden müssen.« Ryan ließ seine Erleichterung so unverblümt erkennen, daß der Präsident sich gekränkt fühlte. »Hatten Sie etwas anderes erwartet?«
»Natürlich nicht«, versicherte Ryan.
»Wer weiß Bescheid?«
»Hier im Flugzeug?« fragte van Damm. »Bob hat es bestimmt nicht für sich behalten.«
»Na, dann müssen wir gleich was tun. Tish«, sagte Durling zu seiner PR-Chefin, »Sie setzen mir eine Erklärung auf. Der Justizausschuß war informiert, und ich habe keinen Druck auf sie ausgeübt.«
»Was sagen wir zu der Verzögerung?« fragte Tish Brown.
»Wir haben in der Führung gemeinsam beschlossen, daß die Angelegenheit Anspruch darauf hatte, ja, wie sag' ich's denn?« Der Präsident blickte zur Decke hinauf. »Anspruch darauf hatte, unbelastet von anderen Dingen ...«
»Daß sie so schwerwiegend, nein, so bedeutend ist, daß sie verdient, von einem Kongreß behandelt zu werden, der nicht durch andere Erwägungen abgelenkt ist?« schlug Ryan vor. Nicht übel, dachte er.
»Ich mache aus Ihnen noch einen Politiker«, sagte Durling, der wider Willen lächeln mußte.
»Auf den Fall selbst sollten Sie nicht eingehen«, fuhr van Damm fort und erteilte dem Präsidenten in Form einer Anweisung einen Rat.
»Ich weiß, ich weiß. Zu den Fakten darf ich nichts sagen, weil es mir nicht gestattet ist, mich in das Verfahren oder in Kealtys Verteidigung einzumischen; ich sage lediglich, daß jeder Bürger bis zum Beweis des Gegenteils als unschuldig zu gelten hat; Amerika ist gegründet auf ... na, Sie wissen schon. Tish, schreiben Sie's auf. Ich werde es dann vortragen, noch ehe wir landen, und dann werden wir vielleicht tun können, was wir eigentlich vorhatten. Sonst noch was?« fragte Durling.
»Außenminister Hanson meldet, daß alles vorbereitet ist. Keine Überraschungen«, sagte Ryan, der jetzt endlich zu seinem eigenen Vortrag kam. »Finanzminister Fiedler hat das monetäre Hilfsabkommen ebenfalls soweit fertig, daß es paraphiert werden kann. In der Hinsicht dürfen wir mit einem angenehmen, reibungslosen Besuch rechnen.«
»Wie beruhigend«, bemerkte der Präsident trocken. »Gut, dann mach ich mich mal fertig.« Auch an Bord der Air Force One war es nicht das reine Vergnügen, so eng mit anderen zusammen zu reisen. Selbst unter den günstigsten Umständen war der Präsident selten einmal für sich, aber im Weißen Haus trennten ihn zumindest reale Wände von den anderen. Hier nicht. Ein Sergeant der Air Force
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