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08 - Ehrenschuld

08 - Ehrenschuld

Titel: 08 - Ehrenschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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man auch: »Es ist bedauerlich, daß der Präsident geglaubt hat, in ein Kriminalverfahren eingreifen zu dürfen.« Erste Anrufe bei Direktor William Shaw vom FBI wurden mit »Kein Kommentar« beschieden, zumeist mit dem klärenden Hinweis, daß das FBI sich grundsätzlich nicht zu einem eventuellen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren äußere, um die anschließenden gerichtlichen Schritte nicht zu beeinträchtigen und die Rechte des Beschuldigten nicht zu gefährden. Dieser Hinweis wurde der Öffentlichkeit nur in den wenigsten Fällen vermittelt, wenn überhaupt, wodurch »Kein Kommentar« eine ganz eigentümliche Bedeutung annahm.
    Der in diesem Fall Beschuldigte erwachte in seinem Haus auf dem Gelände des Naval Observatory an der Massachusetts Avenue, North West, und stieß im Erdgeschoß auf seine engsten Mitarbeiter; die dort schon auf ihn warteten.
    »Ach du Scheiße«, bemerkte Ed Kealty. Das war alles, was er zu sagen hatte. Es hatte keinen Sinn, die Sache zu leugnen. Dafür kannten ihn seine Leute zu gut. Er sei, so legten sie es sich alle zurecht, ein Mann von sinnlicher Natur, ein Zug, den man im öffentlichen Leben nicht selten antreffe, doch gehe er sehr dezent damit um.
    »Lisa Beringer«, hauchte der Vizepräsident, als er den Namen las. »Können sie das arme Mädchen nicht in Frieden ruhen lassen?« Er erinnerte sich an den Schock, den ihr Tod bei ihm ausgelöst hatte, an die Art, wie sie gestorben war - sie hatte sich losgeschnallt und war mit hundertvierzig Sachen gegen einen Brückenpfeiler gerast -, erinnerte sich an die Mitteilung des ärztlichen Gutachters, wie untauglich diese Methode sei. Sie hatte noch einige Minuten gelebt und wimmernd in den Trümmern gelegen, als die Sanitäter eingetroffen waren. So ein süßes, hübsches Ding. Sie hatte einfach nicht verstanden, wie die Dinge standen. Sie hatte zuviel von ihm zurückerwartet. Vielleicht hatte sie gedacht, daß es bei ihr anders wäre. Nun ja, dachte Kealty, jede glaubte, anders zu sein.
    »Er läßt Sie im Regen stehen«, bemerkte Kealtys Stabschef. Der wichtigste Aspekt war schließlich die politische Verwundbarkeit ihres Chefs.
    »Da könnt ihr Gift drauf nehmen.« Dieser Scheißkerl , dachte der Vizepräsident. Nach allem, was ich für ihn getan habe. »Egal irgendwelche Ideen?«
    »Natürlich weisen wir alles empört zurück«, begann sein Stabschef und reichte ihm ein Papier. »Ich habe eine Pressemitteilung vorbereitet, und am Vormittag machen wir eine Pressekonferenz.« Er hatte bereits ein halbes Dutzend ehemaliger und derzeitiger Mitarbeiterinnen angerufen, die ihrem Chef beistehen würden. In allen Fällen handelte sich um Frauen, deren Bett er mit seiner Anwesenheit beehrt hatte und die lächelnd daran zurückdachten. Auch große Männer hatten ihre Fehler. Im Falle Edward Kealtys wurden die Fehler mehr als wettgemacht durch sein Engagement für die wirklich wichtigen Dinge.
    Kealty las rasch die Mitteilung durch. Die einzige Verteidigung gegen eine völlig aus der Luft gegriffene Anschuldigung ist die Wahrheit ... Diese Anschuldigungen entbehren jeder Grundlage ... Mein öffentliches Wirken ist allgemein bekannt, ebenso mein Eintreten für die Rechte von Frauen und Minderheiten ... Ich fordere (»verlange« war hier das falsche Wort, dachte sein persönlicher Berater) eine unverzügliche Aussprache über die Anschuldigungen und die Gelegenheit, mich entschieden zur Wehr zu setzen ... offensichtlich kein Zusammenhang mit dem bevorstehenden Wahljahr ... bedaure, daß eine so grundlose Anschuldigung unseren g roßen Präsidenten Roger Durling in Mitleidenschaft ziehen wird ...
    »Holt mir den Scheißkerl sofort ans Telefon!«
»Jetzt wäre eine Konfrontation nicht ratsam, Mr. Vice President. Sie >rechnen mit seiner uneingeschränkten Unterstützung<, haben wir geschrieben.«
»Ach, richtig.« Dieser Passus der Pressemitteilung würde nicht so sehr ein warnender Schuß vor den Bug sein als einer, der direkt auf die Brücke zielte, dachte Kealty. Entweder würde Durling ihn unterstützen, oder er würde bei den Vorwahlen eine politische Katastrophe riskieren.
    Was würde in diesem Jahr noch alles passieren? Für fast alle amerikanischen Morgenzeitungen, selbst für USA Today , war die KealtyGeschichte zu spät gekommen, doch die elektronischen Medien griffen sie in ihrem Presseüberblick auf. So mancher, der im Anlagegeschäft tätig war, hörte die Morning Edition von National Public Radio, eine Sendung, die man sich

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