08 - Ehrenschuld
es sie vergaß. Für seine Boote gab es kaum noch einen Auftrag. Die einstmals große und furchterregende sowjetische Marine war nur noch Erinnerung. Erst letzte Woche hatte er Satellitenfotos von den Basen in Petropawlowsk und Wladiwostok gesehen. Jedes Boot, das die Sowjets die Russen! - nach seiner Kenntnis besessen hatten, lag längsseits vertäut, und auf einigen Fotos konnte er die orangefarbenen Roststellen erkennen, dort, wo die schwarze Farbe vom Rumpf abgeblättert war.
Sonstige denkbare Missionen? Handelsschiffe zu jagen war ein echter Witz, nein, noch schlimmer: Die Orion-Fahrer mit ihrer eigenen gewaltigen Schar von P-3C-Flugzeugen, die auch für die U-Boot-Jagd ausgelegt waren, hatten ihre Flugzeuge längst umgebaut, so daß sie Luft-Boden-Raketen befördern konnten, und sie waren zehnmal so schnell wie ein U-Boot, und für den unwahrscheinlichen Fall, daß jemand ein Handelsschiff abschießen wollte, konnten sie es besser und schneller.
Gleiches galt für Überwasserkriegsschiffe oder was von ihnen noch übrig war. Die traurige Wahrheit war, wenn man so will, daß die U.S. Navy selbst in ihrem ausgeweideten und abgespeckten Zustand schneller mit drei oder vier Seekriegsflotten der Welt fertig werden konnte, als diese ihre Kräfte sammeln und eine Pressemitteilung über ihre bösartigen Absichten herausbringen konnten.
Was nun also? Auch für den, der den Super Bowl gewonnen hatte, gab es immer noch Mannschaften, gegen die er in der nächsten Saison antreten konnte. In diesem ernstesten aller menschlichen Spiele bedeutete Sieg jedoch etwas ganz anderes. Da es zur See keine Feinde mehr gab und zu Lande nur wenige, wurde die U-Boot-Flotte in der neuen Weltordnung zur ersten von vielen uniformierten Verbänden, die ohne Arbeit waren. Daß es überhaupt noch einen ComSubPac gab, lag nur an der Trägheit der Bürokratie. Es gab einen Com-sonstwas-Pac, und die U-Boot-Flotte mußte als gesellschaftliches und militärisches Pendant zu den anderen Gruppen wie Luftwaffe, Landheer und Betreuung auch ihren Oberbefehlshaber haben.
Von seinen neunzehn Jagd-U-Booten waren gegenwärtig nur sieben auf See. Vier befanden sich in der Generalüberholung, und die Werften streckten die Arbeit, um ihre Infrastruktur zu rechtfertigen. Die übrigen lagen neben ihren Tendern am Pier, während die Männer von der Schiffswartung neue und interessante Betätigungen fanden, um ihre Infrastruktur und ihre eigene militärische beziehungsweise zivile Identität zu retten. Von den sieben Booten auf See verfolgte nur eines ein chinesisches Atom-Jagd-U-Boot; diese Unterseeboote waren so laut, daß Mancuso hoffte, daß die Ohren der Sonarmänner keinen ernsten Schaden nahmen. Sich an sie heranzuschleichen war ungefähr so anspruchsvoll wie einen blinden Mann auf einem leeren Parkplatz bei hellichtem Tage zu beobachten. Zwei weitere Boote betrieben Umweltforschung; sie verfolgten Buckelwalpopulationen, nicht für Walfänger, sondern für Umweltschützer. Die Ökos hatten seine Boote dafür richtig ins Herz geschlossen. Es gab mehr Wale, als man erwartet hatte. Das Aussterben war längst keine so große Gefahr, wie man früher geglaubt hatte, mit der Folge, daß auch die verschiedenen Umweltverbände vor Finanzierungsproblemen standen. Gegen das alles hatte Mancuso nichts einzuwenden. Er hatte nie den Wunsch gehabt, einen Wal zu töten.
Die übrigen vier Boote machten Übungen, vorwiegend gegeneinander. Und die Umweltschützer rächten sich auf ihre Art an der U-Boot-Flotte der US-Pazifikflotte. Nachdem sie dreißig Jahre lang gegen den Bau und den Einsatz der Boote protestiert hatten, protestierten sie jetzt gegen deren Abwrackung, und über die Hälfte von Mancusos Arbeitszeit ging dafür drauf, alle möglichen Berichte, Antworten auf Fragen und detaillierte Erläuterungen seiner Antworten abzuheften. »Undankbare Kerle«, murrte Mancuso. Hatte er ihnen denn nicht bei den Walen geholfen? Grollend wandte der Admiral sich seinem Kaffeebecher zu und schlug einen neuen Aktenordner auf.
»Gute Neuigkeiten, Skipper«, ertönte es unverhofft.
»Wer zum Teufel hat Sie reingelassen?«
»Ich habe bei Ihrem Chief einen Stein im Brett«, erwiderte Ron Jones.
»Er sagt, daß der Papierkrieg Ihnen über den Kopf wächst.«
»Er muß es ja wissen.« Mancuso erhob sich und ging seinem Besucher
entgegen. Dr. Jones hatte selber Probleme. Das Ende des Kalten Krieges
hatte auch die Rüstungslieferanten getroffen. Jones war spezialisiert
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