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08 - Ehrenschuld

08 - Ehrenschuld

Titel: 08 - Ehrenschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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gerade in der Mittagspause waren - waren nun auf die Tatsache aufmerksam geworden, daß jeder weitere Handel mit diesen Wertpapieren Unruhe erzeugen würde, so unwahrscheinlich das auch angesichts der bekannten Stärke des Dollar erscheinen mochte.
    Das Staatsbankett war ein Ausdruck traditioneller russischer Gastfreundschaft, noch verstärkt durch den Umstand, daß es das Ende eines zwei Generationen währenden nuklearen Schreckens feierte. Der Metropolit der russisch-orthodoxen Kirche stimmte ein langes und würdiges Bittgebet an. Er war selbst zweimal das Opfer politischer Inhaftierung gewesen, und um so aufrichtiger klang seine Aufforderung, nun zu jubeln und sich zu freuen, eine Aufforderung, die manche zu Tränen rührte, welche aber rasch vertrieben wurden durch den Beginn des Festmahls. Es gab Suppe und Kaviar und Geflügel und erlesenes Rindfleisch und riesige Mengen Alkohol, zu dessen freizügigem Genuß sich alle - nur dieses eine Mal eingeladen fühlten. Die eigentliche Aufgabe der Reise war erfüllt. Es gab wirklich keine Geheimnisse mehr, die man voreinander zu ve rbergen hatte. Morgen war Samstag, und alle würden sich ausschlafen können.
    »Auch du, Cathy?« fragte Jack. Normalerweise trank seine Frau nicht viel, aber heute abend kippte sie ein Glas nach dem anderen.
»Dieser Champagner ist wunderbar.« Es war ihr erstes Staatsbankett im Ausland. Sie hatte selbst einen angenehmen Tag in Gesellschaft von Augenchirurgen hinter sich, und zwei der besten - beide Professoren hatten sie eingeladen, ans Wilmer Institute zu kommen und sich mit ihrem Spezialgebiet vertraut zu machen. Cathy war eine aussichtsreiche Kandidatin für einen Lasker Award für ihre Arbeit auf dem Gebiet der Laserchirugie, ein Resultat elfjähriger klinischer Forschung und zugleich der Grund, warum sie die Leitung eines Department, die ihr von der Universität von Virginia zweimal angetragen worden war, ausgeschlagen hatte. Der große Artikel, in dem sie ihren Durchbruch beschrieb, würde in Kürze im New England Journal of Mediane erscheinen, und auch für sie waren dieser Abend und diese Reise der Höhepunkt so vieler Dinge.
»Morgen wirst du dafür büßen«, warnte sie ihr Mann. Jack hielt sich bei all den Drinks zurück, auch wenn er sein normales abendliches Limit von einem Glas bereits überschritten hatte. Das, was jeden schaffte, waren die Toasts, denn natürlich konnte man bei keinem der zahlreichen Trinksprüche sein Glas stehen lassen; er kannte das von früheren russischen Banketten. Es gehörte einfach zu ihrer Kultur. Die Russen konnten fast jeden Iren unter den Tisch trinken, eine Erfahrung, die er einmal am eigenen Leib erlebt hatte, aber von den amerikanischen Gästen hatte sonst kaum einer diese Lektion gelernt, oder es war ihnen heute abend egal. Der Nationale Sicherheitsberater schüttelte den Kopf. Morgen früh würden sie es lernen, das stand fest. Gerade wurde der Hauptgang aufgetragen, und tiefroter Wein füllte die Gläser.
»Oh Gott, mir platzt das Kleid!«
»Das wäre eine Bereicherung des offiziellen Unterhaltungsprogramms«, meinte ihr Mann und zog sich damit einen strafenden Blick zu.
»Sie sind viel zu dünn«, bemerkte Golowko, der neben ihr saß, und gab damit einem anderen russischen Vorurteil Ausdruck.
»Wie alt sind Ihre Kinder?« fragte Jelena Golowko. Sie war, nach russischen Maßstäben, ebenfalls dünn, Professorin der Pädiatrie und eine sehr angenehme Tischgenossin.
»Ein amerikanischer Brauch«, erwiderte Jack, zog seine Brieftasche hervor und zeigte die Bilder. »Olivia - ich nenne sie Sally. Das hier ist der kleine Jack, und das ist unsere Jüngste.«
»Ihr Sohn schlägt ganz nach Ihnen, aber die Mädchen sind das Ebenbild ihrer Mutter.«
Jack grinste. »Das ist auch gut so.«
    Die großen Handelsfirmen sind genau das, was ihr Name besagt, doch für den kleinen Aktionär ist es rätselhaft, wie sich der Handel abspielt. Die ganze Wall Street war eine einzige Ansammlung von falschen Bezeichnungen, angefangen mit der Straße selbst, die ungefähr so breit ist wie ein Seitengäßchen in einem durchschnittlichen amerikanischen Wohnviertel, und auch die Bürgersteige scheinen für den Verkehr, der auf ihnen herrscht, allzu schmal zu sein. Wenn bei einem großen Haus wie beispielsweise dem größten von ihnen, Merrill Lynch, Kauforders eingingen, gingen die Händler nicht - sei es physisch, sei es elektronisch auf die Suche nach jemandem, der bereit war, die gesuchte Aktie zu verkaufen.

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