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08 - Ehrenschuld

08 - Ehrenschuld

Titel: 08 - Ehrenschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Scheiße«. Die an ihren Terminals bastelnden Computerhändler sahen bereits, daß der Markt reagierte. Ein steigender Diskontsatz ließ mit Sicherheit einen kurzen Rückgang des Dow erwarten, so wie dunkle Wolken Regen ankündigten. Dieser Sturm sollte kein angenehmer werden.
    Die großen Häuser, Merrill Lynch, Lehman Brothers, Prudential-Bache und all die anderen, waren hochgradig automatisiert, und alle waren auf ähnliche Weise organisiert. In fast jedem Haus gab es ein einziges Großraumbüro mit Reihen von Computerterminals. Die Größe des Raums wurde durch die Maße des Gebäudes beschränkt, und die hochbezahlten Fachleute saßen sich fast ebenso dicht auf der Pelle wie die Angestellten einer japanischen Konzernverwaltung, mit dem einen Unterschied, daß die Amerikaner nicht rauchen durften. Kaum einer der Männer hatte seine Anzugjacke an, und die meisten Frauen trugen Turnschuhe.
    Es waren alles hochintelligente Leute, deren Bildungsgang den Gelegenheitsbesucher allerdings überrascht hätte. Früher hatten hier Absolventen eines wirtschaftswissenschaftlichen Studiums aus Harvard oder Wharton gearbeitet, heute waren es überwiegend Naturwissenschaftler, vor allem Mathematiker und Physiker. Wer etwas auf sich hielt, kam vom MIT oder allenfalls einer Handvoll anderer naturwissenschaftlicher Eliteschulen. Das hing damit zusammen, daß die Handelshäuser mit Computern arbeiteten und die Maschinen mit hochkomplexen mathematischen Modellen, sowohl für die Analyse des Marktes als auch für die Prognose. Die Modelle beruhten auf sorgfältigen historischen Untersuchungen, die bis in die Zeit zurückgingen, als die New Yorker Börse noch von einem Baum überschattet wurde. Teams von Historikern und Mathematikern hatten jede Veränderung am Markt erfaßt. Diese historischen Aufzeichnungen hatte man analysiert, mit erkennbaren äußeren Faktoren in Beziehung gesetzt und in eine eigene mathematische Realität übersetzt, und das Ergebnis war eine Reihe von sehr präzisen und unmenschlich komplizierten Modellen, die beschrieben, wie der Markt funktioniert hatte, wie er jetzt funktionierte und wie er künftig funktionieren würde. Das alles beruhte jedoch auf der Annahme, daß Würfel ein Gedächtnis haben, einer bei Kasinobesitzern beliebten, aber falschen Vorstellung.
    Man mußte ein mathematisches Genie sein, sagten alle (besonders die mathematischen Genies), um zu verstehen, wie das Ganze funktionierte. Die alten Hasen hatten hier nichts zu bestellen. Leute, die noch ein Wirtschaftsstudium absolviert hatten, ja sogar solche, die als kleine Angestellte angefangen und sich durch Fleiß und Sachkenntnis hochgearbeitet hatten, hatten der neuen Generation Platz gemacht, und sie bedauerten es im Grunde nicht. Die Halbwertzeit eines Computerhändlers betrug rund acht Jahre. Das Tempo im Computerhandel war mörderisch, und um dort zu überleben, mußte man nicht nur jung und brillant, sondern auch jung und dumm sein. Die älteren Hasen, die sich mühsam hochgearbeitet hatten, überließen den Computerhandel den Jungen, da sie selbst nur oberflächlich mit dem Gerät vertraut waren, und übernahmen die Aufgabe, das Geschehen zu überwachen, Trends auszumachen, die Firmenpolitik zu bestimmen und generell den freundlichen Onkel für die Jungen zu spielen, die das Führungspersonal als alte Knacker betrachteten, zu denen man ging, wenn's Probleme gab.
    Im Endergebnis war keiner für irgend etwas verantwortlich vielleicht abgesehen von den Computermodellen, und alle benutzten dasselbe Modell. Es gab das Modell in leicht abgewandelten Varianten, da die Berater, die sie geschaffen hatten, von den einzelnen Auftraggebern gebeten worden waren, für jedes Handelshaus etwas ganz Besonderes zu präsentieren; das Ende vom Lied war, das die Berater prächtig verdienten, weil sie allen Kunden praktisch dieselbe Arbeit verkauften, aber für ein angeblich einmaliges Produkt kassierten.
    Militärisch ausgedrückt, war das Ergebnis eine Einsatzdoktrin, die bei der ganzen Branche identisch und zugleich unflexibel war. Es war außerdem eine Einsatzphilosophie, die alle nur teilweise kannten und verstanden.
    Die Columbus Group, eine der größten Investmentgruppen, hatte ihre eigenen Computermodelle. Da sie Milliarden von Dollar kontrollierte, konnten ihre drei wichtigsten Fonds, Nina, Pinta und Santa Maria, große Blöcke von Wertpapieren zu Spottpreisen aufkaufen und gerade durch diese Transaktionen den Preis einzelner Aktien beeinflussen. Es

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