08 - Ehrenschuld
waren nur drei Personen, die über diese ungeheure Marktmacht verfügten, und diese drei waren einem vierten Mann unterstellt, der alle wirklich wichtigen Entscheidungen traf. Die Bezahlung, Beurteilung und Beförderung der übrigen Spezialisten richtete sich nach ihrer Fähigkeit, den Vorgesetzten die richtigen Empfehlungen zu geben. An sich hatten sie keine wirkliche Macht. Das Wort des Chefs war Gesetz, und das wurde von allen wie selbstverständlich akzeptiert. Der Chef war immer ein Mann, der sein eigenes Vermögen in die Gruppe eingebracht hatte. Jeder seiner Dollar war genauso wichtig wie der Dollar des kleinen Anlegers, und davon gab es Tausende. Er unterlag den gleichen Risiken, strich die gleichen Gewinne ein und erlitt gelegentlich die gleichen Verluste wie der Dollar aller anderen. Das war im Grunde die einzige Sicherheit, die in den ganzen Wertpapierhandel eingebaut war. Die größte Sünde im Maklergeschäft bestand darin, die eigenen Interessen denen seiner Anleger vorzuziehen. Nur wenn man die eigenen Interessen mit denen der Anleger koppelte, gab es eine Garantie, daß alle am selben Strang zogen, und die kleinen Anleger, die nicht die geringste Ahnung hatten, wie der Markt funktionierte, konnten sich sicher fühlen in dem Glauben, daß die großen Haie, die den Durchblick hatten, sich schon um ihre eigenen Belange kümmerten. Es war ganz ähnlich wie im späten 19. Jahrhundert im amerikanischen Westen, wo kleine Viehzüchter ihre winzigen Herden für den Trieb zur Viehverladestation den Herden der großen Rancher anvertrauten.
Es war 13.50 Uhr, als Columbus den ersten Zug machte. Raizo Yamatas Hauptstellvertreter rief seine Topleute zusammen und erörterte mit ihnen kurz den plötzlichen Run auf den Dollar. Alle waren sich einig, daß die Lage ernst war. Pinta, der Fonds mit mittlerem Risiko, hatte einen ansehnlichen Vorrat an US-Schatzwechseln, immer ein guter Parkplatz für Gelder, um auf eine bessere Anlagemöglichkeit zu warten. Diese USSchatzwechsel verloren ständig an Wert. Yamatas Mann erklärte, sie seien unverzüglich gegen Deutsche Mark einzutauschen, wiederum die stabilste Währung in Europa. Der Pinta-Manager nickte, hob den Hörer ab und gab die Order, und eine weitere riesige Transaktion lief, die erste eines amerikanischen Händlers.
»Es gefällt mir nicht, wie dieser Nachmittag läuft«, sagte der stellvertretende Vorsitzende sodann. »Ich möchte, daß alle das Risiko verringern.« Wieder allgemeines Kopfnicken. Die Sturmwolken kamen näher, und bei den ersten Blitzen wurde die Herde unruhig. »Welche Bankaktien sind gefährdet bei einem schwachen Dollar?« fragte er. Die Antwort kannte er, aber er fragte der Form halber.
»Citibank«, erwiderte der Nina-Manager. Er war verantwortlich für das
Management der erstrangigen Werte. »Wir haben ihre Aktien tonnenweise.« »Beginnen Sie auszusteigen«, befahl der stellvertretende Vorsitzende.
»Die exponierte Stellung der Banken gefällt mir nicht.«
»Alles?« Der Manager war überrascht. Die Citibank hatte gerade einen
ziemlich guten Vierteljahresbericht vorgelegt.
Ein ernstes Nicken. »Alles.«
»Aber ...«
»Alles«, sagte der stellvertretende Vorsitzende leise. »Unverzüglich.«
Bei der Depository Trust Company wurde die gesteigerte Geschäftstätigkeit von den Mitarbeitern, die jede Transaktion festzuhalten hatten, vermerkt. Ihre Tätigkeit bestand darin, am Schluß des Börsentages alles zusammenzutragen, zu notieren, welcher Käufer welche Aktie von welchem Verkäufer gekauft hatte, und die Geldbeträge von den entsprechenden Konten abzubuchen und den Empfängerkonten gutzuschreiben. Sie füngierten praktisch als automatische Buchhaltung für den gesamten Wertpapiermarkt. Ihre Bildschirme zeigten eine zunehmende Geschäftstätigkeit, aber die Computer liefen alle mit Chuck Searls' ElectraClerk2-4.o-Software, und die Stratus-Mainframes hielten Schritt. Jede Maschine hatte drei Datenausgaben. Eine Leitung ging zu den Monitoren. Eine andere ging zu den Band-Backups. Eine dritte ging zu einem Papierdrucker, die unbequemste Form der Dokumentation. Wegen der unterschiedlichen Schnittstellen kam jede Ausgabe von einer anderen Platine innerhalb der Computer, aber weil die Ausgabe in allen Fällen dieselbe war, interessierte sich niemand für die dauerhaften Aufzeichnungen. Es waren schließlich sechs Maschinen im Einsatz, auf zwei Standorte verteilt, und das System war so sicher, wie es menschenmöglich ist.
Man hätte es anders
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