08 - Ehrenschuld
mußte er weitermachen in der Hoffnung auf ein Wunder. Vielleicht hatten sich ja ein paar Besatzungsmitglieder retten können.
Entgegen Mancusos Rat ging der Ruf bei dem Trägerverband ein. USS Gary, eine Fregatte, war sofort mit Dauerhöchstgeschwindigkeit nach Norden gesprintet auf das Gebiet zu, aus dem das Signal gekommen war, und hatte damit den Gesetzen des Menschen wie den Gesetzen des Meeres gehorcht. In neunzig Minuten würde sie ihren Hubschrauber auf Überwassersuche losschicken können, und sie würde, falls nötig, anderen Hubschraubern bei einer Fortsetzung der Rettungsaktion als Basis dienen. Die John Stennis John Stennis VikingASW-Flugzeug in die Luft zu bringen, dessen Bordinstrumente bei einer Überwassersuche hilfreich sein konnten. In weniger als einer Stunde war die Viking an Ort und Stelle. Auf dem Radar war nichts zu sehen außer einem Kutter der japanischen Küstenwache, der auf die Funkboje zusteuerte und noch zehn Meilen von ihr entfernt war. Bei Kontaktaufnahme bestätigte der weiße Kutter, daß er das Notsignal aufgefangen hatte und nach Überlebenden suchen wollte. Die Viking umkreiste den Sender. Eine Ölfläche markierte die Stelle, wo das Schiff begraben lag, und es trieben einige Trümmer umher, aber selbst bei wiederholten Tiefflügen konnten vier Augenpaare nichts entdecken, was gerettet zu werden verdiente.
Der Vermerk NAVY BLUE auf einer Meldung bedeutete, daß die Information die gesamte Flotte interessieren könnte, daß sie möglicherweise etwas Heikles beinhaltete oder, in seltenen Fällen, einer hohen Geheimhaltungsstufe unterlag. In diesem Fall ging es um eine Angelegenheit, die zu groß war, um geheim bleiben zu können. Zwei von den vier Flugzeugträgern der Pazifikflotte waren für lange Zeit verwendungsunfähig. Die beiden anderen, Eisenhower und Lincoln, waren im Indischen Ozean und konnten nicht abgezogen werden, weil man sie dort brauchte. Schiffe kennen kaum ein Geheimnis, und noch bevor Admiral Dubro seine Kopie der Meldung erhielt, war das Gerücht schon auf seinem Flaggschiff in Umlauf. Kein Bootsmannsmaat fluchte so schändlich wie der Kommandant des Kampfverbandes, der schon genug am Hals hatte. Dasselbe erlebten die Männer der Fernmeldegruppe im Pentagon, die den dort diensttuenden hohen Marineoffizieren die Nachricht überbrachten.
Wie die meisten Geheimagenten, die sich in einem fremden Land in Gefahr befanden, hatten Clark und Chavez keinen Schimmer, was ihnen drohte. Sonst hätten sie wohl das erstbeste Flugzeug genommen und wären in irgendein anderes Land geflogen. Spione waren noch nie beliebt, und die Genfer Protokolle hielten eine Regel für Kriegszeiten fest, derzufolge sie nach ihrer Festnahme unverzüglich getötet werden durften, meistens durch ein Erschießungskommando.
Für Friedenszeiten galten etwas zivilere Regeln, die aber auf dasselbe Endergebnis hinausliefen. Dies gehörte nicht zu den Dingen, die die CIA bei ihren Anwerbegesprächen hervorkehrte. Die internationalen Gepflogenheiten der Spionage berücksichtigten diesen unangenehmen Umstand insofern, als sie möglichst vielen Auslandsagenten eine diplomatische Tarnung gaben, die ihnen Immunität verlieh. Die Betreffenden nannte man »legale« Agenten, die durch internationale Abkommen geschützt waren, als wären sie tatsächlich die Diplomaten, als die sie ihre Pässe auswiesen.
Clark und Chavez waren »Illegale«, und sie genossen nicht diesen Schutz - John Clark hatte, um genau zu sein, noch nie eine »legale« Tarnung gehabt. Was dies zu bedeuten hatte, wurde klar, als sie ihr billiges Hotel verließen, um sich mit Isamu Kimura zu treffen.
Es war ein freundlicher Nachmittag, etwas getrübt durch die unfreundlichen Blicke, die man ihnen als gaijin zuwarf; darin mischten sich nicht länger Neugier und Ekel, sondern sie verrieten unverhohlene Feindseligkeit. Seit ihrer Ankunft hatte sich die Atmosphäre greifbar verändert, doch schlug ihnen sogleich Herzlichkeit entgegen, wenn sie sich als Russen zu erkennen gaben. Ding überlegte deshalb, wie sie ihre Deckidentität gegenüber Passanten deutlicher hervorkehren konnten. Die Zivilkleidung gab ihnen dazu leider keine Möglichkeit, und so mußten sie die Blicke ertragen und mit einem Gefühl leben, wie es ein reicher Amerikaner in einem Wohnviertel mit hoher Kriminalität empfinden mochte.
Kimura wartete am vereinbarten Ort, in einer billigen Kneipe. Er hatte schon einiges intus.
»Good afternoon«, sagte Clark freundlich auf
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