08 - Ehrenschuld
entscheidende ist, die
anderen wissen es auch. Jeder weiß, was wir haben und was wir nicht
haben, und mit dem richtigen Wissen und dem richtigen Training kann man
sich ausrechnen, was wir tun können. Dann plant man seine Operationen
auf der Basis der eigenen Möglichkeiten und der möglichen Reaktionen des
Gegners.«
»Klingt logisch. Weiter.«
»Nach dem Ende der Bedrohung durch Rußland haben die U-Boote im
Grunde keine Funktion mehr, und zwar deshalb, weil ein U-Boot letztlich
nur für zwei Dinge gut ist. Taktisch gesehen, können sie andere U-Boote ausschalten. Aber ihr strategischer Wert ist begrenzt. Sie können die Seeherrschaft nicht auf die gleiche Art ausüben wie normale Schiffe. Sie sind kein Machtinstrument. Sie können keine Truppen oder Fracht transportieren, und das ist es, was Seeherrschaft eigentlich bedeutet.« Jack schnippte mit den Fingern. »Aber sie können die Seeherrschaft anderer verhindern, und Japan ist ein Inselstaat. Also haben sie Angst vor fremder Seeherrschaft.« Oder, fügte Jack in Gedanken hinzu, sie hatten vielleicht nur getan, was sie tun konnten. Sie hatten die Flugzeugträger beschädigt, weil sie zu mehr nicht in der Lage waren. Oder doch? Verdammt, es war
immer noch zu verworren.
»Also könnten wir ihnen mit unseren U-Booten die Luft abschnüren?«
fragte Durling.
»Vielleicht. Wir haben es schon einmal getan. Aber wir haben nur noch
ein paar davon, und das macht ihnen die Abwehr viel leichter. Ihre letzte
Trumpfkarte gegen so eine Maßnahme von uns sind aber ihre Atomwaffen.
Sie begegnen einer strategischen Bedrohung durch uns, indem sie uns auch
strategisch bedrohen, was sie 1941 nicht konnten. Irgend etwas fehlt da,
Sir.« Ryan schüttelte den Kopf, während er immer noch durch die dicken,
kugelsicheren Scheiben zum Denkmal schaute. »Da steckt irgendwas
Großes dahinter, von dem wir nichts wissen.«
»Das Warum?«
»Vielleicht das Warum. Zuerst möchte ich das Was erfahren. Was
wollen sie? Was ist letztendlich ihr Ziel?«
»Nicht, warum sie es tun?«
Ryan wandte den Kopf und sah dem Präsidenten in die Augen. »Die
Entscheidung, einen Krieg anzufangen, ist fast nie rational, Sir. Der Erste
Weltkrieg begann, als ein Narr einen anderen erschoß und die Ereignisse
geschickt von einem Leopold Soundso, genannt Poldi, dem österreichischen
Außenminister, ausgenutzt wurden. Ein geschickter Manipulator, aber er
bedachte nicht die einfache Tatsache, daß sein Land zu schwach war, um zu
erreichen, was er wollte. Deutschland und Österreich-Ungarn begannen den
Krieg. Beide verloren. Im Zweiten Weltkrieg kämpften Deutschland und
Japan gegen den Rest der Welt. Es fiel ihnen nie ein, daß der Rest stärker
sein könnte, besonders was Japan betrifft.« Ryan fuhr fort. »Sie hatten
keinen echten Plan, um uns zu schlagen. Halten wir das fest. Oder der
Bürgerkrieg, begonnen von den Südstaaten. Die Südstaaten verloren. Der Deutsch-Französische Krieg, begonnen von Frankreich. Frankreich verlor. Fast jeder Krieg seit der industriellen Revolution wurde von der Seite begonnen, die am Schluß verlor. Ergo, es ist keine rationale Handlung, einen Krieg anzufangen. Deshalb ist der Gedanke dahinter, das Warum nicht unbedingt so wichtig, weil es wahrscheinlich von Anfang an ein
Irrtum ist.«
»Von dieser Seite habe ich es noch nie betrachtet, Jack.«
Ryan zuckte die Achseln. »Manche Dinge sind zu offensichtlich, wie
Buzz Fiedler heute im Lauf des Tages schon sagte.«
»Aber wenn das Warum nicht wichtig ist, ist es doch das Was erst recht
nicht, oder?«
»Doch, denn wenn man das Ziel des Gegners kennt, wenn man weiß,
was er will, kann man es ihm verwehren. So beginnt man, den Feind zu
schlagen. Die anderen starren so auf das, was sie wollen, sind so auf dessen
Bedeutung fixiert, daß sie nicht mehr bedenken, daß sich ihnen jemand
anders in den Weg stellen könnte.«
»Wie ein Krimineller, der einen Schnapsladen überfallen will?« fragte
Durling, amüsiert und beeindruckt von Ryans Vortrag.
»Ein Krieg ist die größte kriminelle Handlung, ein bewaffneter
Raubüberfall im großen Maßstab. Und er hat immer etwas mit Habgier zu
tun. Immer will ein Land das, was einem anderen gehört. Und man besiegt
eine Nation, indem man erkennt, was sie will, und es ihr vorenthält. Der
Keim ihrer Niederlage steckt meist im Keim ihres Wunsches.« »Japan im Zweiten Weltkrieg?«
»Sie wollten ein richtiges Empire. Im Grunde wollten sie genau das, was
die Briten hatten. Sie fingen nur ein- oder zweihundert
Weitere Kostenlose Bücher